Sippenverband Fü(h)rer e.V.

Friedrich Wilhelm Führer *1714 - +1781,
- unser 2. Stammvater - die zweite bekannte Generation

Warum "unser 2. Stammvater" ?

Friedrich Wilhelm Führer war Landgräflich Hessen-Cassel'scher Major und - nach Beendigung seiner aktiven militärischen Laufbahn - Oberwege-Commissarius in den nordhessischen Städten Felsberg an der Fulda, Gudensberg und Niedenstein: "Er galt als Gelehrter und Schriftsteller seiner Zeit" (Strieder, Hess. Gelehrten- u. Schriftstellergeschichte, Göttingen 1784).

Nach dem frühen, tragischen Tod seines Vaters, des Mindener Brücken-baumeisters Johann Michael Führer am 12.12.1720 bleibt seine Familie fast ohne Mittel und mit hohen Schulden zurück. Der Prozeß wegen der Bezahlung der Brückenbauarbeiten ist anhängig.

Dorothea Führer, die Witwe Johann Michael, zieht nach Hannover, um auf den Fortgang des Prozesses so gut wie möglich, Einfluß zu nehmen. Ihre beiden jüngeren Kinder, Johann Bernhard (*1716 - damals 4 Jahre alt) und Dorothea Magdalena (*1718 - damals 2 Jahre alt), muß sie bei Fremden in Kost und Logis geben. Sie ahnt nicht, daß sich der Prozeß beinahe fünf Jahre hinziehen wird.

Den weiteren Lebensweg und den Verbleib der beiden Kinder und die Frage, ob diese weitere Nachfahren hatten, konnten wir trotz intensiver Nachforschungen nicht aufklären.

So führen wir uns denn alle auf den erstgeborenen Sohn, Friedrich Wilhelm Führer (*1714) als unser aller gemeinsamen zweiten Stammvater zurück.

Bereits 1906 erscheint die von Prof. Justus Führer aus Corbach verfasste Biografie, die nachfolgend wiedergegeben wird:


Major und Commissarius Loci,
Friedrich Wilhelm Führer,
ein Leben in Unruhe

Vorwort zur 1. Auflage, 1906

Nachstehende Mitteilungen aus dem Leben Friedrich Wilhelm Führers stellen im Wesentlichen die Erweiterung einer bereits im Januar 1895 im „Hessenland“ von mir veröffentlichten kurzen biographischen Skizze dar durch Aufnahme und Erläuterung der in derselben Zeitschrift etwa ein Jahr später von meiner Hand erschienenen „Erlebnisse eines hessischen Offiziers in und nach dem österreichischen Erbfolgekriege“, sowie durch Verwertung des nachher noch aufgefundenen sowohl gedruckten wie archivarischen Materials.

Leider sah sich Verfasser genötigt, das Aufsuchen und Excerpieren des letzteren zum großen Teil fremder Hand zu überlassen, so daß er nicht zu beurteilen vermag, mit welcher Gründlichkeit dies geschehen und wie viel sich namentlich aus den Aktenfaszikeln des Marburger Staatsarchivs etwa noch herauspressen ließe. Überhaupt erhebt auch diese Arbeit nicht den Anspruch, mehr als ein biographischer Versuch zu sein und den Zweck desselben würde Verfasser schon als erreicht ansehen, wenn es ihm trotzdem gelänge, einiges Interesse für seinen Helden zu erwecken, diejenigen unter den geneigten Lesern aber, denen Zeit und Mittel hierzu zur Verfügung stehen, sich dadurch angeregt fühlten, die nachstehende Skizze durch weitere Nachforschungen in der angedeuteten Richtung zu einem wirklich lebensvollen und möglichst lückenfreien Gemälde auszugestalten.

Corbach in Waldeck, im Mai 1906.

Prof. Justus Fürer
Anmerkung: Der Verfasser, Professor Justus Fürer, war Studienrat, *10.04.1863 in Wolfhagen, †15.06.1955 in Bad Salzschlirf. Zu der Abstammung des Verfassers wird auf die Nachkommentafel des Sippenverbandes Fü(h)rer e.V. Kassel, herausgegeben 1999 verwiesen.
Vorwort zur 2. Auflage, 2012
 
Gut hundert Jahre hat diese Schrift - die Biographie unseres zweiten bis dato bekannten Ahnvaters - in nur wenigen Exemplaren bis heute überdauert. Die leidensvolle Lebens-geschichte seines Vaters Johann Michael Führer, des Brückenbaumeisters aus Minden, ist uns bisher nur abschnittsweise bekannt. Trotz mehrfach aufgenommener, intensiver Nachforschungen liegen dessen Herkunft, Geburt, Jugend und Ausbildung sowie die ersten Berufsjahre in einem schier nicht aufklärbaren Dunkel.
Die Forschungsergebnisse über den uns bekannten Lebensabschnitt seines Vaters, Johann Michael Führer, und damit auch die familiäre Situation in Friedrich Wilhelms Jugend in Minden und Nienburg sind sehr anschaulich und eindrucksvoll dargestellt in dem Buch „Johann Michael Führer †1720 in Minden, Forschungsergebnisse” von Prof. Dipl. Berging. Gotthard Fürer [*15.08.1927 in Breslau, 21.06.2014 in Goslar] (1. Aufl. 1956; 4. Auflage 2011).

 Der Verfasser des vorliegenden Buches, Professor Justus Friedrich Karl Fürer [1,122114], *10.04.1863 in Wolfhagen, †15.06.1955 in Bad Salzschlirf, war Professor im Schuldienst (verglerichbar einem Studienrat). Justus legte 1906 das “h” im Namen Führer ab. Die vorliegende Schrift wurde überarbeitet und zum besseren Verständnis geringfügig ergänzt. Die Rechtschreibung wurde, abgesehen von wörtlichen Zitaten, der derzeitig gültigen angepasst.  Der Druck der Biographie ist in Vorbereitung.

Kassel/Lingen, 2017 Hartmuth Für
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Inhalt
I.    Der Vater, Geburt und Universitätszeit
II.   Aufgabe des Studiums, Übertritt in hessische Kriegsdienste
III.  Beim Kavallerieregiment Prinz Maximilian im österreichischen Erbfolgekriege,
       Feldzug in Bayern
IV.   Feldzug in den Niederlanden
V.    Ein unerquickliches Nachspiel, Verheiratung
VI.   In Nassau-Usingischem Hofdienst in Biebrich und Paris
VII.  Bei den hessischen Jägern im siebenjährigen Kriege
VIII. Letzte Zeit bei den Jägern, Abschluss der Militarlaufbahn
        beim Garnisonsregiment v. Kutzleben.
IX.   Friedenszeit in Felsberg
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I. Der Vater, Geburt und Universitätszeit

Friedrich Wilhelm Führer wurde, wie wir es heute wissen, als erster Sohn des Baumeisters, Brückenbaumeisters und Steinbruchbesitzers Johann Michael Führer und seiner Ehefrau Dorothea, am 11.03.1714 in Preussisch Minden geboren. Getauft wurde er dort am 12.03.1714 in St. Petri .

Das Wenige, was wir über Johann Michael Führer wissen, deutet darauf hin, dass er - und zwar über die schwarzweißen Grenz-pfähle hinaus - als Autorität auf dem Gebiet des Brückenbaues gegolten hat. Denn er baute nicht nur in Minden eine solche, sondern entwarf im Jahre 1714 unter Mitwirkung des Herzoglich-Celleschen Oberbaumeisters Borgmann auch den Plan zu der Weserbrücke im hannoverschen Nienburg, die aus flachen, aus mehreren Mittelpunkten beschriebenen Bögen, sogenannten Korbbögen, bestand und als Kuriosum der damaligen Brückenbautechnik bewundert worden zu sein scheint.

Den Vorzug, eine derartige Brücke zu besitzen, teilte Nienburg nämlich nur noch mit Dresden, Regensburg, Prag, Toulouse und Paris (Tuilerien); und darf man wohl annehmen, dass dem Erbauer die hier vorhandenen Vorbilder seines Kunstwerke zum Teil wenigstens aus eigener Anschauung bekannt gewesen sind.

Johann Michael Führer starb am 12. Dezember 1720 zu Preußisch Minden, etwa im Alter von 40 bis 50 Jahren, also noch in den besten Mannesjahren. Das Begräbnis fand in aller Stille statt. Johann Michael Führer hinterließ seine Witwe Dorothea mit drei kleinen Kindern, den Söhnen Friedrich Wilhelm (6 Jahre) und Johann Bernhard (4 Jahre) sowie der Tochter Dorothea Magdalena Führer (2 Jahre) .

Er hatte kurz vor seinem Tode einen Prozeß gegen das Königreich Hannover angestrengt, um den ihm zustehenden Lohn und vorgeschossene Gelder für den Bau der ersten Nienburger Steinbrücke über die Weser zu erstreiten, die ihm die Verwaltung in Hannover - trotz vieler Eingaben und direkter Schreiben an den König - nicht hatten zahlen wollen.

Seine Witwe führte den Prozeß weiter. Sie siedelte zu diesem Zwecke nach Hannover über. Sie gab, um sich ganz dem Prozeß widmen zu können, die drei Kinder zu Freunden in Kost und Logis. Endlich, 1725, nach 5 quälenden Jahren konnte sie diesen vor dem Ober- Appellationsgericht in Hannover positiv abschließen. Johann Michael Führer bekam posthum die Summe von 7.000 Talern zugesprochen. Aber dieses Geld reicht kaum aus, um die Gläubiger zu befriedigen, von denen Johann Michael Führer hatte Geld aufnehmen müssen, um den Bau weiterführen zu können, als die Baukommission weitere Zahlungen eingestellt hatte. Soviel über Johann Michael Führer, den Vater.

Im Jahre 1714, in welchem Johann Michael Führer den Plan zu der oben beschriebenen Nienburger Weserbrücke entwarf , nicht volle sieben Jahre, vor seinem Tode, war ihm, was für uns das Wichtigste ist, sein erster Sohn Friedrich Wilhelm geboren.

Viele Details in der Jugend von Friedrich Wilhelm bis heute nicht erforscht, aber mit dem frühen Tode des Vaters und der fast ausweglosen finanziellen Situation der Familie bis zum Urteil des Ober-Appellationsgerichtes in der "Bausache" (1725) haben sich so dramatische Ereignisse in der Jugend von Friedrich Wilhelm ereignet, daß sicherlich diese sein Leben entscheidend geprägt haben werden, auch wenn diese sich in einem sehr frühen Abschnitt seines Lebens ereignet haben.

Friedrich Wilhelm Führer tritt uns erst als Studiosus iuris in Halle - immatrikuliert am 13. Mai 1734 - wieder vor Augen. Sein dortiger Aufenthalt, dessen Dauer sich leider nicht bestimmen lässt, fiel also in die Zeit der Verbannung Christian Wolffs. Aber immer noch mag von dem erbitterten, vor mehr als einem Jahr-zehnt mit der brutalen Ausweisung dieses freidenkenden Gelehrten zu gewaltsamem Abschluss gekommenen Kampfe zwischen Theologie und Philosophie wenigstens ein schwaches Nachzittern zu verspüren gewesen sein, und der regsame, vielseitig interessierte Geist des jungen Führer wurde gewiss nicht zuletzt davon berührt.

Denn, wenn auch über seinen Studiengang weiter nichts bekannt ist, und bis dahin auch über seine geistige Veranlagung noch nichts gesagt werden konnte, so legt doch ein Rückschluss aus den später von ihm an den Tag gelegten, u.a. auch philo-sophischen Kenntnissen diese Annahme recht nahe. Wenn diese Vermutung aber gestattet ist, dann wundern wir uns auch nicht, dass er, der später als Mann „nicht nur in historischen und philo-sophischen, sondern auch in politischen, statistischen, ökono-mischen, Finanz- und Kameralwissenschaften ungemein erfahren“ war, - auffallender, vielleicht bezeichnender Weise fehlt hier gerade die Wissenschaft, als deren Jünger er „civis academicus“ geworden - seine Studienzeit so weit über das vorgeschriebene Maß hinaus ausdehnte und erst im Jahre 1740, als er nach Rinteln ging, daran dachte, „seine akademischen Bemühungen zu beenden“ . Er war eben offenbar nichts weniger als „Brotstudent“.

Dass Führer in diesem langen Zeitraume außer Halle und Rinteln noch eine dritte Universität besucht hat, ist nicht unwahrscheinlich. Ob dies aber Jena gewesen ist, wie Strieder angibt, erscheint fraglich, weil unter den aus dieser Zeit sonst noch vorhandenen Jenaer Matrikeln eine Führer‘sche sich nicht befindet.


II. Aufgabe des Studiums,
Übertritt in hessische Kriegsdienste

Die Übersiedlung nach Rinteln bezeichnet einen bedeutungs-vollen, um nicht zu sagen, verhängnisvollen Wendepunkt im Leben von Friedrich Wilhelm Führer. Entschied er sich hier doch für die Laufbahn, in der er - inwieweit durch eigene Schuld, ist nicht deutlich zu ersehen - zweimal Schiffbruch leiden sollte, für die militärische. Statt nämlich dort „seine akademischen Bemühungen zu endigen“, zog er es vor, bei einer der beiden Eskadrons des Kavallerieregiments „Prinz Maximilian“, die damals in Rinteln ihr Standquartier hatten, in hessische Kriegsdienste zu treten, ein Schritt, der durch den Subsidien-vertrag, den das mit Spanien in einen Kolonialkrieg verwickelte und zugleich auch von Frankreich bedrohte England am 20. Mai 1740 mit Hessen-Cassel abgeschlossen, noch eine besondere Bedeutung erhielt .

Dass Führer durch seinen Eintritt bei diesem Truppenteil, der mit zu den damals an England überlassenen 6000 Hessen gehörte, eine seinem bisherigen Entwicklungsgang so zuwiderlaufende Richtung einschlug, dass aus dem anscheinend so wissenschaftlich ausgerichteten Jüngling mit einem Male ein Jünger des Mars wurde, kommt uns auf den ersten Blick - denn „inter arma silent artes“ - etwas rätselhaft vor, und den Gründen dafür nach-zuforschen, erscheint wenig aussichtsvoll. Und doch sollte nicht gerade in der an ihm gerühmten Vielseitigkeit, die es ihm erschweren musste, sich schließlich für einen bestimmten bürgerlichen Beruf zu entscheiden, der Hauptgrund zu suchen sein?

Dem gegenüber aber mögen gerade hessische Kriegsdienste, die sich in fernen Landen abzuspielen pflegten und auch dies Mal wieder in solche zu führen verhießen, vor allem die ruhmvolle Vergangenheit des stolzen Reiterregiments selbst von unbesiegbarer Anziehungskraft gewesen sein.


III. Beim Kavallerieregiment Prinz Maximilian
       im österreichischen Erbfolgekriege. Feldzug in Bayern

Eine sturmbewegte, von Kriegslärm erfüllte Zeit ist es, in die uns der nun folgende Lebensabschnitt Friedrich Wilhelm Führers versetzt, und der Kriegsgott, dessen Dienste er sich nun einmal geweiht, er forderte jetzt auch von ihm des Lebens beste Jahre zum Opfer. Der englisch-hessische Subsidienvertrag, zunächst noch ohne sichtbare Wirkung, sollte nämlich praktische Bedeutung gewinnen, als der englisch-spanische Kolonialkrieg mit einem über den grössten Teil des europäischen Kontinents sich erstreckenden Völkerringen sich verquickte.

Im Oktober 1740 hatte sich die Gruft über Kaiser Karl VI., dem letzten männlichen Spross des Hauses Habsburg, geschlossen. Seine durch die „pragmatische Sanktion“ als Universalerbin von ihm eingesetzte Tochter Maria Theresia aber war weit davon entfernt, sich des unbestrittenen Besitzes ihrer Erbländer zu erfreuen. Nachdem als Erster der junge Preußenkönig Friedrich II. seine Ansprüche in Wien angemeldet und deren Ablehnung mit gewaltsamer Aneignung beantwortet hatte, entschlossen sich auch die übrigen Anfechter des kaiserlichen Testaments, mit ihren Forderungen hervorzutreten, es entstand der „Österreichische Erbfolgekrieg“. Das Eintreten Englands aber, für Maria Theresia, und Frankreichs für dessen Hauptgegner, den Kurfürsten Karl Albert von Bayern, brachte jetzt die alte Gegnerschaft der beiden europäischen Westmächte zu offener Betätigung. Die Franzosen waren es infolgedessen auch, zu deren Bekämpfung die hessischen Söldner zuerst Verwendung fanden.

Wir übergehen den bloßen militärischen Spaziergang, den diese im Herbst 1741 zum Schutze von Hannover bis nach Grohnde an der Weser unternahmen und gehen auch nicht näher ein auf die ebenso unblutig verlaufene Heerfahrt des Winters 1742/43, die das hessische Corps zum ersten Mal in die österreichischen Niederlande führte, zumal nicht einmal feststeht, ob Führer sie schon mitgemacht hat. Wichtiger für das Verständnis des folgenden ist, dass am 2. März 1742 auch der inzwischen zum Kaiser (Karl VII.) gekrönte Carl Albert von Bayern mit Hessen-Cassel einen Subsidienvertrag abgeschlossen hatte, auf Grund dessen jetzt andere dreitausend Hessen in bayerische bzw. kaiserliche Dienste traten. Schon am 10. Juli vereinigten sich diese an der unteren Isar mit der aus Bayern, Pfälzern und Franzosen bestehenden „kaiserlichen“ Armee, um zu derselben Zeit, wo ihre sechstausend Landsleute die österreichischen Niederlande gegen einen etwaigen französischen Angriff zu schützen entschlossen waren, die Österreicher aus dem noch von diesen besetzt gehaltenen Gebiet zwischen Isar und Inn vertreiben zu wollen, was bis zum Oktober auch ziemlich erreicht war.

Als aber im Sommer 1743 die von Georg II. von England persönlich geführte „pragmatische“ Armee und nicht lange nachher auch die sechstausend Hessen von ihrer niederländischen Heerfahrt am Main eintraten, da war den Kaiserlichen von den für ihre Königin begeisterten magyarisch-kroatischen Kriegsvölkern fast ganz Bayern wieder entrissen. Daran vermochte auch das Eintreffen eines zweiten französischen Heeres unter dem Herzog von Noailles nichts mehr zu ändern. Dieser erlitt vielmehr, obwohl er den englischen König vor der Vereinigung mit dem hessischen Korps zum Schlagen zwang, am 27. Juni bei Dettingen eine Niederlage, die ihn zum Rückzug über den Rhein nötigte.

Ob auch Führer am Tage dieser Schlacht sich schon im Lager von Dörnigheim befand, wo die Sechstausend unter des Prinzen Georg Kommando, nur wenige, Stunden vom Kampfplatz entfernt, statt dem Kanonendonner zu folgen, wie es scheint, infolge eines Missverständnisses, untätig stehen blieben, lässt sich nicht feststellen. Die Angabe in der Anciennitätsliste von 1748, dass er „fünf Kampagnen getan“ habe, im Verein, mit der feststehenden Tatsache, dass er vom Sommer 1744 ab sämtliche Feldzüge mitgemacht hat, scheint dagegen zu sprechen. Es müssten denn die vorhergegangenen Kampagnen wegen ihres unblutigen Verlaufs nicht als solche gegolten haben. So müssen wir uns bis auf Weiteres mit der Kenntnis begnügen, dass Führer im Februar 1741 mit seiner Beförderung zum Adjutanten die Vorstufe zum Offizier und im April des folgenden Jahres mit seiner Ernennung zum Cornet den ersten Grad dieser Charge selbst erreicht hatte.

Den Winter 1743/44 verbrachten die beiden hessischen Korps friedlich miteinander auf Urlaub in der Heimat. Der folgende Sommer aber sollte sie auch auf dem Kriegsschauplatz zusammenführen, da der Landgraf jetzt nach Ablauf des Subsidienvertrags mit England allen englischen Gegen-bemühungen zum Trotz der im Mai zwischen Preußen, Bayern, Frankreich und der Pfalz zustande gekommenen „Frankfurter Union“ sich anschloss und demgemäß mit sämtlichen Truppen zur Gegenpartei übertrat .

Infolgedessen verließen die beiden hessischen Korps im Frühjahr bzw. Sommer 1744 zum zweiten Mal ihre Standquartiere. Das nunmehr gemeinsame Marschziel derselben war Bayern, wo sich die Sechstausend am 29. September bei Nördlingen mit den Kaiserlichen und ihren schon früher dort eingetroffenen dreitausend Landsleuten vereinigten . Eben in dieser Zeit aber, offenbar auf dem Marsch nach dem Kriegsschauplatz, taucht auch Friedrich Wilhelm Führer zum ersten Mal flüchtig vor unsern Augen auf, um dann vorerst wieder unter dem großen Haufen zu verschwinden. Am 10. Juli 1744 drängte sich die Einwohnerschaft von Oelshausen (Amt Wolfhagen), voll ungeduldiger Erwartung in der Richtung nach Burghasungen spähend, am Ausgange des Dorfes. Da wirbeln plötzlich Staubwolken auf der Höhe der Kasseler Straße empor und - es ist kein Zweifel mehr - „Sie, kommen!“

Ross und Reiter sieht man mit schnell zunehmender Deutlichkeit durch das Gewölk hindurch schimmern und darüber hinaus ragen. Schon sind sie in den dem Dorfe schneller zuführenden Feldweg eingebogen und noch etwa eine Minute, da müssen die neugierigen Dorfschönen und das übrige schaulustige Volk etwa fünfzig schmucken Reitern Platz machen . Der hochgewachsene Standartenträger aber , der, neben dem Kommandeur der Reiter-abteilung einher reitend, mehr als alle andern die Aufmerksamkeit auf sich lenkt, ist kein anderer als der Cornet im Kavallerie-regiment Prinz Maximilian, Friedrich Wilhelm Führer, der an diesem Tage mit seiner von dem Major von Schwertzell geführten Kompanie hier Quartier bezieht und, um nichts unerwähnt zu lassen, bei der Verteilung der „Rationen“ „1 1/4 Portionen“ empfing.

Den Faden unserer Darstellung wieder aufnehmend, müssen wir zunächst bemerken, dass den bei Nördlingen vereinigten hessischen Hilfskorps die Aufgabe zufiel, im Verein mit den bayerischen, pfälzischen und französischen Truppen die aufs neue in Bayern eingedrungenen Österreicher wieder zu vertreiben, was ohne große Schwierigkeiten gelang, da das Land aus hier nicht näher zu erörternden Gründen von dem größten Teil der öster-reichischen Truppen bereits wieder geräumt. war.

Nachdem so schon Ende November fast ganz Bayern wieder von den „Unionstruppen“ in Besitz genommen war, bezog man Winterquartiere, hessischerseits in dem Winkel zwischen Donau und rechtem Isarufer. Cornet Führer aber fand bei dieser Gelegenheit bei einer vornehmen Dame in der Nähe von Plattling Aufnahme, die, ihre persönliche Verehrung für den schmucken Reiteroffizier auch auf dessen Landsleute übertragend, sich später, wie wir sehen werden, als „gütige Fee'' noch sehr verdient machen sollte.

Dem launischen Kriegsgott gefiel es nämlich, den so leicht erkauften Sieg über die Österreicher schon bald ebenso schnell wieder wett zu machen. Durch die günstige Wendung, die mit dem Rückzug des im August 1744 in Böhmen eingefallenen Preußenkönigs auf dem dortigen Kriegsschauplatz eingetreten zu sein schien, ließ sich Maria Theresia bestimmen, wieder größere Streitkräfte gegen Bayern in Bewegung zu setzen. Ende März 1745 drang Feldmarschall Graf Batthyanyi mit drei Kolonnen ungehindert über den Inn vor, warf die südlich Vilshofen stehenden bayrischen Vortruppen schnell über den Haufen und brachte, ohne ernstlichen Widerstand zu finden, am 28. März auch Vilshofen selbst in seine Gewalt, dessen, auch aus mehreren hessischen Infantrie-Regimentern bestehende, Besatzung sich der eindringenden kroatischen Soldateska ergeben musste.

Um aber auch den übrigen hessischen Regimentern, die gleich den Franzosen und Pfälzern über die Isar zurückzugehen im Begriff waren, den Rückzug abzuschneiden, hatte der Feldmarschall den General Trips mit einem aus „500 Warasdinern und allen Husaren“ gebildeten Streifkorps nach Pöringen vorauseilen lassen . Hier in dem sumpfigen Ufergelände der unteren Isar, tritt auch Friedrich Wilhelm Führer zum zweiten Male, sich deutlich abhebend, aus der großen Masse hervor, diesmal, ohne sofort wieder darunter zu verschwinden. Fast romanhaft mutet an, was er der später noch näher zu erwähnenden Schutzschrift an den Landgrafen, die u. a. auch ein „Promemoria“ über seine geleiste-ten Dienste enthält, an erster Stelle verzeichnet .

„Als Ew. Durchlaucht löbl. Korpstruppen“, so beginnt er, „1745 in Bayern standen und die in der Gegend von Vilshofen verlegten Regimenter wegen der feindlichen Invasion (des Generals Batthyanyi) den 25. März d. a. sich bei Plaitlingen (Plattling) über die Isarbrücke zu retirieren genötigt sahen, war meine Wenigkeit dasjenige Instrument, wodurch Ew. Durchlaucht Diensten etwas Zuträgliches geleistet wurde. Eine ohnweit Plattlingen wohnende Dame, die mich im dermaligen Winterquartier bei sich aufgenommen, würdigte mich ihrer Freundschaft und nachherigen Briefwechsels. Ihre Affektion gegen Ew. Durchlaucht Truppen wurde durch die Furcht vor dem in ihrer Gegend befindlichen Feind nicht vermindert und sie wagte es mit vieler Gefahr, denselben nützlich zu sein, sie sandte deshalb des öfteren einen ihrer Bedienten vermittels eines verborgen gehaltenen Kahnes mit Nachrichten an mich ab; die wichtigste unter solchen betraf eine von ihr ausgekundschaftete feindliche Unternehmung, vermöge welcher derselbe getrachtet, sich der vor der Plattlinger Brücke gelegenen unbesetzten Schanze nebst der darin stehenden zur Bedeckung dieses Vorhabens bequemen Kapelle nächtlicher Zeit zu versichern.

Diese Nachricht schien mir wichtig genug, dieselbe sofort dem damaligen Major des löblichen Regiments, Herrn Oberstleutnant von Schwertzell sel., zu hinterbringen, und von da gelangte solche ungesäumt an den über die in der dasigen Gegend versammelten Truppen das Kommando führenden Herrn Generalmajor von Baumbach, der dann auch die Besetzung gedachter Schanze sofort vorkehren liess, wodurch mithin das feindliche Vorhaben fruchtlos gemacht, die zum Rekognoszieren ausgesandte Patrouille gerettet und vielleicht auch das Leben einiger Menschen erhalten worden.“

Offenbar handelt es sich hier um den Anschlag einer Abteilung der vorhin erwähnten, dem Heere Batthyanyi's vorausgeeilten kroatisch-magyarischen Soldateska des Generals Trips. Im Übrigen ergibt sich aus der Anschaulichkeit und Korrektheit des Ausdrucks entbehrenden Darstellung des Vorgangs, deren Mängel weniger dem Verfasser selbst als dem damaligen Tiefstand der deutschen Sprache überhaupt zur Last fallen, mit einiger Gewissheit nur zweierlei:

Die durch die Quartiergeberin und Freundin Friedrich Wilhelm Führers des Gegners, sich einer die Plattlinger Brücke und zwar vom rechten Ufer aus beherrschenden Schanze zu bemächtigen und die Vereitelung dieses Anschlages durch rechtzeitige Besetzung von hessischer Seite. Streiten lässt sich dagegen anscheinend über die Bedeutung des Vorfalls. Allein, wenn Führer selbst als Zweck bzw. Folge der Besetzung des Brückenkopfs nur die Rettung einer Patrouille angibt, so kann nicht, gut angenommen werden, dass, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat, der Übergang der hessischen Truppen über die Isar dadurch erst ermöglicht worden sei.

Wir werden uns vielmehr den Sachverhalt etwa folgendermaßen zu denken haben: Die hessischen Truppen, die nach Überschreitung der Isar noch eine Zeit lang in abwartender Haltung hinter dem Fluss stehen blieben, mussten jeden Augenblick des Nachdrängens der siegreichen Gegner gewärtig sein und, um sich vor Überraschungen zu sichern, durch Aussenden von Patrouillen an das gegenüberliegende Ufer, sich über dessen Absichten zu vergewissern suchen.

Als nun wieder einmal eine solche über die Brücke gegangen war, erhielt Führer durch einen Diener jener geheimnisvollen Dame Kunde von dem beabsichtigten feindlichen Handstreich auf den Plattlinger Brückenkopf. Wäre derselbe aber geglückt, so war nicht nur der ausgesandten Patrouille der Rückweg abgeschnitten, sondern überhaupt auch jeder ferneren Beob-achtung des Gegners ein Riegel vorgeschoben.

Die nun folgende Partie des „Promemoria“ veranschaulicht uns die Panik, welche das Erscheinen der wilden Tripsschen Soldateska bei Pöring, wo man den hessischen Truppen den bei Plattling bereits erfolgten Rückzug über die Isar wehren sollte, selbst unter den Bauern auf dem gegenüberliegenden Ufer hervorrief. Sie mochten die Invasionen der vorhergehenden Jahre in übler Erinnerung haben.

„Nächstdem“, so heißt es weiter, „habe, es zu oben dieser Zeit und eben diesem Orte (Plattling), allwo ohne Unterlass allerlei alarmierende Zeitungen von feindlichen Vorhaben einliefen, an meinem Fleiss und Dienstbegierde zu keiner Zeit ermangeln lassen, ja der Herr General v. Miltitz als dermaliger Regimentskommandant bezeigte darin ein besonderes Vertrauen gegen mich, indem mir derselbe um Mitternachtszeit wissen liess, dass die Bauern aus den bei Pöringen (Pöring) gelegenen Dörfern sich mit ihrem Vieh zu uns heraufgeflüchtet und die Nachricht ausgebreitet, dass ein feindliches Korps die Isar in dasiger Gegend passiert sei.

Ich erbot mich bei diesem Ew. Durchlaucht Truppen so nachteilig sein könnenden Vorfall die Gewissheit davon ungesäumt persönlich einzuziehen, erbat daher sechs Mann, versah mich mit zwei der Gegend kundigen berittenen Bauern und durchritt in der stockfinsternen Nacht die ihrer tiefen Sümpfe und Überschwemmung wegen damals sehr gefährlichen Orte, das sogenannte „Moos“ oder Morast bis in die Gegend, wo die feindliche Übersetzung geschehen sein sollte, und kehrte, nachdem ich die nötige Kundschaft allenthalben eingezogen, wieder zurück, erstattete an, obgedachten Herrn General meinen Rapport und auf dessen Begehr auch an den das löbliche Gräfendorffsche Regiment kommandierenden Herrn Obrist v. Münchhausen ab, wodurch sodann der entstandene Alarm wieder gestillet und eine Postierung in diese Gegend zu formieren beliebet wurde, welche jedoch wegen des sofort beliebeten Abmarsches unterblieb.“

Der „sofort beliebete Abmarsch“ hatte die Umgegend von Landshut zum Ziel, wo der inzwischen an Stelle des Erbprinzen Friedrich zum Oberkommandierenden ernannte General v. Brandt die hessischen Truppen zusammenzog. Von dort marschierten diese zunächst weiter bis Moosburg, wo die Vereinigung mit den Bayern erfolgte. Vorher aber hatte Miltitz die Ordre erhalten, „den in der Gegend von Moosburg stehen sollenden chur-bayerischen Renfort“, wie sich der Verfasser des Promemoria ausdrückt, „durch einen Offizier rekognoszieren zu lassen“, und wiederum war es kein anderer als Cornet Führer den er „dazu zu erwählen beliebet“, und dem diese Auszeichnung „zu einem besonderen Vergnügen gereichte.“

Wir sehen, Führer wurde zu dieser Zeit viel im Aufklärungs- und Nachrichtendienst verwandt, der in dem sumpfigen Gelände jener Gegend besondere Schwierigkeiten bot. Ja, er scheint sich geradezu dazu gedrängt zu haben und glücklich gewesen zu sein, wenn sich ihm einmal Gelegenheit bot, in dem so tatenarmen Winterfeldzug sich irgend wie verdient machen, und in das ermüdende, nicht enden wollende Retiriren mit darauf folgendem eintönigem Lagerleben durch einen kühnen Ritt einmal etwas Abwechslung zu bringen. Aus alledem aber geht hervor, dass er in hohem Grade das Vertrauen seines Regimentskommandeurs besaß. Kein Wunder, dass ihn bald nachher der Höchst-kommandierende selbst zu seinem Ordonnanzoffizier ausersah. Bevor wir ihn jedoch in dieser neuen Stellung bewundern, müssen wir uns kurz den weiteren Verlauf des Rückzugs der Verbündeten bis dahin vergegenwärtigen.

Nach ihrer Vereinigung mit den Bayern hatten sich die Hessen mit diesen über Freising und Dachau bis in die Nähe von Augsburg zurückgezogen, wo auch die Franzosen und Pfälzer wieder zu ihnen stoßen sollten. Letztere wurden jedoch auf dem Wege dorthin am 15. April bei Pfaffenhofen von Batthyanyi überfallen und vollständig geschlagen, worauf Bayern und Hessen zunächst bis in die Gegend von Friedberg zurückgingen. Als dann die Ersteren, von der österreichischen Avantgarde im Rücken bedroht, über den Lech flüchteten und die Brücke hinter sich abbrannten, sahen sich die Hessen, die bei Friedberg zurück-geblieben waren, vollständig abgeschnittenen .

Jetzt erst, wo sie jeder fernere Widerstand in die Gefangenschaft der ihnen an Zahl weit überlegenen Österreicher gebracht haben würde, erhielt General v. Brandt die für diesen Fall schon längst ausgefertigte Ordre des Landgrafen, das hessische Korps für neutral zu erklären, was am 18. April in der Nähe von Friedberg auch geschah.

Der Kommandant der österreichischen Avantgarde Fürst Georg Christian von Lobkowitz ließ auf die Benachrichtigung hiervon und auf die Bitte um Einstellung der Feindseligkeiten erwidern, die Hessen sollten bis auf Weiteres bei Lechhausen stehen bleibenden . Zwei Tage nach der Neutralitätserklärung setzten diese dann auf der inzwischen wieder hergestellten Lechbrücke nach der Augsburger Uferseite über und lagerten sich bei Oberhausen. Nur das Hauptquartier des Generalleutnants v. Brandt, bei dem als Ordonnanzoffizier sich auch der Cornet Führer befand, blieb einstweilen noch in Lechhausen zurück.

Wenige Tage nachher gab auch der nach Augsburg geflüchtete Kurfürst Max Joseph, Karl Alberts Sohn und Nachfolger, den aussichtslosen Kampf auf und verzichtete im Frieden von Füssen auf alle von ihm und seinem Vater erhobenen Ansprüche.

Die bayrischen Truppen aber, obwohl sie den Hessen längst nicht mehr getraut, legten diesen gegenüber jetzt, wo deren Absonderung erklärte Tatsache geworden, die größte Erbitterung, an den Tag, und die dabei hervortretende Neigung zu Gewalt-tätigkeiten gestaltete die Lage der über den Lech gegangenen hessischen Regimenter um so misslicher, als die nur notdürftig wieder hergestellte Brücke schon bald nachher durch ein-getretenes Hochwasser wieder zerstört worden war und somit jede Verbindung mit dem auf dem rechten Ufer zurückgebliebenen Hauptquartier aufgehoben schien. Auch Friedrich Wilhelm Fürer, der als Ordonnanzoffizier Sr. Excellenz des Generalleutnants v. Brandt „die Erlaubnis erhalten hatte, zu der bey Augsburg stehenden Bagage“, also über den Fluss, reiten zu dürfen'', sollte, wie wir gleich sehen werden, Zeuge davon sein.

Als er aber ins Hauptquartier zurückreiten wollte, um dort von der drohenden Haltung der Bayern Meldung zu machen, fand er sich durch den hochgehenden Fluss den Weg dorthin verlegt. Doch im Bewusstsein der auf ihm ruhenden Verantwortung „entschloss er sich, lieber etwas zu wagen, als zum Nachteil der gemeinen Sache etwas zu verabsäumen“.

„Als im weiteren Verlauf dieser Retirade“, schreibt er darüber, „der Ew. Corps Truppen damals als Chef führende Herr Generallieutenant v. Brandt Excellenz in der Gegend bei Friedberg die Neutralität deklarieren liessen und darauf die Separation von dem chur-bayrischen Corps erfolgte, und ich von gedachter Sr. Excellenz, wobey ich mich damals als Ordonnanzoffizier seit einiger Zeit befanden, die Erlaubnis erhielt, zu der bey Augsburg stehenden Bagage reiten zu dürfen, bey meiner Gegenwart daselbst auch mit ansehen konnte, wie sehr erbittert sich die daselbst vorbeimarschierenden bayrischen Regimenter wegen dieser Absonderung gegen die bei der Bagage kommandierten Leute bezeiget und vernehmen liessen, so dass daher zu befürchten, dieselben möchten in ihrer Wut, ihre Bedrohungen, sich an selbiger zu vergreifen und zu plündern, keinen Anstand nehmen und dieses Vorfalls wegen der jetzt in dem löblichen Regiment Sr. Hochfürstl. Durchlaucht des Prinzen v. Ysenburg als Obristlieutenant stehende dermalige Major v. Urff, der zur Bedeckung der Bagage das Kommando führte, seine Untergebenen, um dieser Gefahr nötigenfalls zu resistiren, ausrücken liess, dabei auch für nötig erachtete, des Herrn Generallieutenants v. Brandt Exc. von diesem Umstand zu unterrichten , so erbot ich mich zu dieser Verschickung.

Als ich aber an die Lechbrücke kam, fand ich dieselbe abgeworfen, mithin ein grosses Hindernis, diese einer Remedur bedürftige Sache gedachter Sr. Excellenz, so dero Quartier in Lechhausen genommen, hinterbringen zu können; ich stand deshalb bei mir an und entschloss mich, lieber etwas zu wagen, als zum Nachteil der gemeinen Sache etwas zu verabsäumen, bemühte mich daher, eine Passage durch den Strom zu suchen, und als ich hiermit beschäftiget, trat ich ein in dieser Gegend postirtes Commando von Creyss (?) Dragonern an.

Ich erkundigte mich bey ihnen nach einer sichern Durchfahrt und offerierte demjenigen, der mir solche zeigen und mit mir durchreiten werde, einen Dukaten; da sich aber keiner dazu verstehen wollte und sich damit entschuldigten, dass das Wasser zu hoch angewachsen, so setzte ich ohne weiteren Anstand, mich auf die Güte meines Pferdes verlassend, in den Fluss und durchschwamm denselben, obwohl nicht ohne augenscheinliche grosse Gefahr; trat aber an jener Seite ein anderweites unvermutetes Hinderniss, nämlich eine österreichische Postirung an, und da diese aus Leuten, die keiner mir bekannten Sprache kundig waren, bestand, ich auch mit keinem Pass versehen war, so drohte mir eine neue Gefahr, und ein so übel civilisirtes Volk würde nicht unterlassen haben“ mich durch Feuer geben zu nötigen, denselben Rückweg, welchen ich gekommen, mit noch grösserer Gefahr wiederum zu suchen, wenn nicht zu meinem Glück der diese Postirung kommandirende Major soeben angelangt und mich in lateinischer Sprache um die Ursache meines Übersetzens befraget und von mir die eigentliche Ursache vernommen, darauf aber mich in Person durch seine ganze Postirung bis nach Lechhausen geführt hätte. Sr. Excellenz Herrn Generallieutenant v. Brandt rapportirte ich die Beschaffenheit der Sache, und derselbe säumte auch nicht, Sr. damals in Augsburg anwesenden churfürstlichen Durchlaucht von Bayern davon zu unterrichten, wodurch sodann die nötigen „mesures“ zur Sicherheit der Bagage vorgekehret, worden.“

Zu dem kleinen Abenteuer, welches Führer, nach seinem kühnen Ritt über den Lech zu bestehen hatte, sei noch bemerkt, dass es sich jedenfalls um das Renkontre mit einer Kroatenabteilung handelt. Die Kroaten, bekanntlich wegen, ihrer Wildheit und Grausamkeit gefürchtet, wurden mit Vorliebe als „leichte Truppen“ im Vorpostendienst und zu kühnen Handstreichen benutzt.

Auch bei der Einnahme von Vilshofen spielten sie eine Hauptrolle und sie würden dort alles niedergemacht haben, hätte nicht Batthyanyi selbst, nebst allen Generalen, den Degen in der Faust, ihnen Einhalt getan . Auch Führer würden sie trotz der Neutralitätserklärung übel mitgespielt haben, wäre nicht gerade noch zur rechten Zeit als „deus ex machina“ der österreichische Major auf der Bildfläche erschienen.

Mit diesem Abenteuer schließen Führers Mitteilungen über seine Erlebnisse während der bayrischen Kampagne. Die folgenden versetzen uns bereits in die österreichischen Niederlande. Zwischen beiden aber ereignete sich noch mancherlei, was wir nicht übergeben, zu dürfen glauben. Vor allem ist zu bemerken, dass die erwähnte Neutralitäts-erklärung keineswegs, wie angenommen werden könnte, gleichbedeutend war mit alsbaldiger Rückkehr der Hessen in die Heimat. Diese trafen vielmehr, als sie am 27. April den Rückmarsch dorthin antreten wollten, auf unerwartete Schwierigkeiten.

Um nämlich sicher zu sein, dass die Hessen sich jetzt nicht etwa den übrigen noch gegen sie im Felde liegenden Gegnern, den Preußen oder Franzosen anschlössen, ja, um womöglich ihren Übertritt zur österreichischen Partei zu erzwingen, beliebte es Maria Theresia, sie nicht so leichten Kaufs ziehen zu lassen, sondern bis auf Weiteres in der Donau-festung Ingolstadt zu internieren, wo sie tatsächlich verbleiben mussten, bis der Statthalter aufs Neue einen Subsidienvertrag mit England abge-schlossen hatte (16. Juni 1745). So wurde es schließlich Juli, bis das Hessische Korps den Rückmarsch in die Heimat antreten konnte.

IV. Feldzug in den Niederlanden

Nur kurze Rast war den Hessen in der Heimat vergönnt. Ende August schon setzten sich die viel erwähnten Sechstausend, jetzt wieder unter des Prinzen Friedrich Kommando, zum zweiten Mal nach den Niederlanden in Marsch, wo sie nach ihrer Ankunft mit den englisch-hannoverschen Truppen und den Holländern, welch' letztere ebenfalls 3.000 Hessen in Sold genommen, sich vereinigten.

Schon 1744 war nämlich der Marschall Moritz v. Sachsen mit einem französischen Heer in die Niederlande eingefallen. Im Mai des folgenden Jahres hatte er, der „beste Feldherr seiner Zeit“ über den Herzog von Cumberland den glänzenden Sieg bei Fontenoy erfochten und jetzt bedrohte er schon die Hauptstadt des Landes, Brüssel.

Der erwartete Angriff auf die zwischen dieser Stadt und Antwerpen stehenden Verbündeten erfolgte freilich nicht mehr im Jahre 1745. Aber schon Anfang 1746 wurde Brüssel von den Franzosen besetzt, und als diese hierauf noch weiter verdrängen, zogen es die „Alliierten“ vor, zunächst bis an die Nethe zurückzugehen. Sie „fanden sich genötigt“, wie Führer in seinem Promemoria sich ausdrückt, „sich an der Nethe und Dyle zu setzen“, „detachierten jedoch“, wie es weiter heisst, als ein französisches Korps bis Gr. Wilbrock vorrückte“, ein Korps von 4000 Mann an die Dyle bei Boom, am den Gegner zu „observieren“. Auch Führer befand sich bei diesem Observations-korps. Vor wenig mehr als einem Jahre noch zwischen Inn und Isar gleiches Interesse und Schicksal mit den Franzosen teilend, stand er diesen nun zwischen Dyle und Schelde in grimmer Feindschaft gegenüber.

Zu einem ernsteren Zusammenstoß sollte es indes auch jetzt noch nicht kommen, da die Verbündeten es vorzogen, dem gefürchteten Marschall einstweilen noch keine Gelegenheit dazu zu geben.

„Den 17. Mai d. a. lief vielmehr” die Ordre ein, „dass die ganze alliierte Armee dieselbe Nacht sich gegen Antwerpen retirieren und besagtes Observationskorps gleichfalls mit eingebrochener Nacht den Abmarsch dorthin antreten solle. Dem Rittmeister im Gräfendorff’schen Regiment v. Boyneburgk aber wurde aufgetragen, mit Zuziehung einiger Offiziere und 1000 Pferden in dem Lager und dem daran stossenden Flecken Boom zurückzubleiben und Alles so vorzukehren, dass dieser Abmarsch dem Feinde verborgen gehalten worden möchte”.

Zu dieser „Verrichtung” hatte auch Führer wieder, wie er hinzufügt, „das Glück, durch Wahl gedachten Rittmeisters mit zugezogen zu werden”, und er „machte sich ein Vergnügen daraus”. Wir schen, auch hier war er überall dabei, wo er etwas Besonderes zu unternehmen galt.

Nach Erfüllung seines Auftrags, den Rückzug der alliierten Armee nach Antwerpen zu maskieren, verließ Boyneburgk mit seiner kleinen Abteilung den Flecken Boom, um den Übrigen nach Antwerpen nachzufolgen. Führer erwähnt bei dieser Gelegenheit noch, dass bei dem Abmarsch des Korps aus Boom die Artillerie „schlecht bespannt gewesen und übel transportieret” worden sei.

Deshalb habe er, als ihm auf dem Wege nach Antwerpen einige mit Fachinen beladene Wagen, die für Boom bestimmt waren, begegnet seien, sofort angeordnet, dass sich seine Leute „einiger Gespanne versicherten”. Auf demselben Wege traf er auch zwei tief eingesunkene Kanonen an, ließ die mitgebrachten Pferde vorspannen und eskortierte die beiden Geschütze glücklich bis in die Nähe von Antwerpen, wo er wieder zu seinem Korps stieß. Ein an und für sich gewiss unerheblicher Zwischenfall, dem wir gleichwohl hier Raum geben, weil er einmal wieder Zeugnis ablegt von Friedrich Wilhelms aufopferndem Diensteifer, zugleich aber auch die Beschaffenheit der Wege recht anschaulich illustriert.

Erst im Oktober, nachdem sie inzwischen Verstärkungen an sich gezogen, wagten die Verbündeten den bis dahin gemiedenen zweiten Waffengang mit dem Marschall von Sachsen. Schon am 14. September waren sie bei Maastricht auf das linke Massufer übergesetzt, um das von den Franzosen bedrohte Namur zu sichern. Nachdem aber dieser mit geringer Entschlos-senheit unternommene Versuch gescheitert bzw. schließlich gar nicht durchgeführt und Namur nach kurzer Belagerung in die Gewalt der Franzosen gefallen war, schlugen die Verbündeten am 7. Oktober die Richtung auf Lüttich ein . Schon an diesem Tage, beim Abmarsch aus dem Lager von Heerdren, wurde ihre Arrèregarde angegriffen, wobei von dem Regiment Maximilian ein Pferd totgeschossen und ein Mann verwundet wurde? Zur eigentlichen Schlacht aber kam es erst am 11. Oktober 1746 in der Nähe von Lüttich, wo man, gestützt auf die drei Dörfer Liers, Varoux und Rocoux, dem Gegner Stand zu halten vorsuchte.

Leider war jedoch diese Stellung von Prinz Karl von Lothringen, der im Juli den Oberbefehl über die Alliierten übernommen hatte, so unglücklich gewählt, dass sein genialer Gegner schon bei ihrem bloßen Anblick dem französischen Heere den Sieg prophezeit haben soll. Trotzdem wurden zunächst mehrere französische Angriffe zurückgeschlagen und erst, als der Marschall von Sachsen immer neue Truppen vorrücken ließ, traten die Verbündeten den Rückzug an, bei dem einzelne hessische Infanterie-Regimenter schwere Verluste erlitten . Glimpflicher war das Regiment Friedrich Wilhelm Führers auf dem rechten Flügel bei Liers mit einem Verlust von nur fünf Pferden davongekommenen .

Da eine zusammenhängende Darstellung dieser Ereignisse über den Rahmen unserer Biographie hinausgehen würde, so möge hier gleich der dritte große Schlag seine Stelle finden, den der Marschall den Verbündeten im Jahre 1747 versetzte.

Im Sommer diesen Jahres bedrohten die Franzosen Maastricht, dessen Eroberung man schon deshalb zu verhindern suchen musste, weil sich dort die Hauptmagazine befanden. Wenige Stunden westlich davon kam es infolgedessen am 2. Juli 1747 zu einer blutigen Schlacht, in der die Verbündeten leider wieder von dem „Besiegten” von Fontenoy, dem Herzog von Cumberland, geführt wurden, der seinem genialen Gegner noch weniger gewachsen war, als der Prinz v. Lothringen.

Hatte die Schlacht bei Rocoux Friedrich Wilhelm Führer kaum Gelegenheit geboten, sich irgendwie hervorzutun, worin wohl auch der Grund zu suchen ist, dass er derselben mit keinemWort gedenkt, - bei Laffelt sollte sein Reiterherz „gewogen” werden.

„Bei anderen mehreren ernstlichen Gelegenheiten”, fährt er fort, „kann ich mich des Gleichen rühmen, dass ich auf die Erhaltung meiner Person nicht zuerst bedacht gewesen, noch dieselbe der Ehre Ew. Durchlaucht Dienstes vorgezogen habe, und der Herr General v. Miltitz wird mir das Zeugnis geben, dass, als in der Bataille bei Laffelt wegen zu fürchtenden feindlichen Einbruchs, nachdem sich die zunächst davon gestandene Infanterie weg und in das Dorf gezogen, die Flanken bedecken zu lassen, für nötig erachtet würde, dieselben mir meinen Posten hinter der Eskadron angewiesen, allwo ich auch alle meine mögliche, Sorgfalt angewendet, dass, trotz der so heftigen Kanonade und der daher vielfältig zu machenden Schwenkungen, dieselbe dennoch in keine Unordnung geraten, sondern sofort auf das gehörte Kommandowort gebührend herstellen können, ja dass ich endlich auch, da bey der letzten Schwenkung noch einige Kanonenschüsse in dieselbe gefallen, der übrige Teil der Kavallerie, auch schon in der Retirade begriffen, mithin gedachte Eskadron noch aufzuhalten mir nicht mehr möglich war, ich bey gedachtem Herrn General meine Entschuldigung über diesen Zufall noch gemacht und der letzte gewesen, der mit ihm den Platz verlassen.

Dass ich aber im Verfolg unserer Retirade noch den grössten Teil der zerstreuten Eskadron entdecket, gedachtem Herrn General Nachricht davon gegeben und um Erlaubnis gebeten, dieselbe wiederum formiren zu dürfen, und als ich diese erhalten, solches bewerkstelligte und im Angesichte der uns auf Karabinerschussweite, nachfolgenden feindlichen Kavallerie veranlasset, dass gedachte Eskadron den ihr gebührenden place d'honneur wiederum okkupiren können.“

Diese für sich allein völlig dunkle und bei dem Adressaten jedenfalls eine genauere Kenntnis dieser Schlachtepisode voraussetzende Darstellung erhält einiges Licht, wenn wir sie in den uns vorliegenden ausführlicheren Bericht eingliedern, den der Höchstkommandierende' der 'hessischen Truppen, Prinz Friedrich, zwei Tage nach der Schlacht an den König von Schweden erstattete . Danach standen die Hessen während der Schlacht, das zweite Treffen bildend, zunächst zwischen den westlich Maastricht gelegenen Dörfern Vlittingen und Kesselt.

Als dann die im Vordertreffen stehenden Engländer und Hannoveraner von den Franzosen hart bedrängt wurden rückte Prinz Friedrich mit seinen Truppen zur Unterstützung in der Richtung auf Kesselt vor, aber in der Erwartung dass die rechts von Vlittingen postierte' holländische Infanterie sich anschließen werde.

Da diese jedoch in ihrer Stellung verblieb, so entstand zwischen letztgenanntem Dorf und den sich nach links ziehenden hessischen Truppen ein Zwischenraum, dessen Ausnutzung der wachsame Gegner sich sofort angelegen sein ließ. Nachdem er durch eine aus „vierzig schweren Canons” abgegebene Geschützsalve auf dem rechten Flügel der Hessen „einige Deroute” hervorgerufen, schickten sich zwölf Eskadrons seiner Kavallerie an, in die „Intervalle” einzubrechen und den hessischen Truppen „in Rücken zu gehen”.

Bei diesem kritischen Moment aber setzt offenbar die Führersche Darstellung ein, wenn darin von „zu befürchtendem feindlichen Einbruch” lind „heftiger Kanonade” die Rede ist. Danach müssen wir annehmen, dass zur Versperrung jener Intervalle” die hessische Kavallerie, die bis dahin vermutlich hinter der Infanterie enstanden, die holländische war gleich bei den ersten Kanonenschüssen ausgerissen auf dem rechten Flügel aufmarschierte, worauf dann die „zwölf feindlichen Eskadrons” ihren Einbruch an dieser Stelle aufgegeben zu haben scheinen.

Bei ihrem Einrücken in die zwischen Vlittingen und dem rechten Flügel entstandene Lfieke der Schlachtordnung wurden die vier hessischen Reiterregimenter aber gleichfalls von einem lebhaften Artilleriefeuer emp-fangen. Sie suchten dessen Wirkung zwar durch „vielfältig” ausgeführte „Schwenkungen” abzuschwächen, vermochten, sich aber begreiflicher Weise in dieser gefährdeten Position nicht lange zu behaupten.

Am längsten hielt noch die Eskadron Prinz Maximilian der „so heftigen Kanonade” Stand, da es den Bemühungen des hinter ihr postierten Leutnants Führer gelang, sie selbst dann noch im Feuer festzuhalten, als „der übrige Teil der Kavaliere” bereits den Rückzug angetreten hatte. Erst „als bey der letzten Schwenkung noch einige Kanonenschüsse in dieselbe gefallen”, da scheint der gleichzeitige Anblick der „in der Retirade begriffenen” übrigen Reiterregimenter eine Panik unter den Mannschaften hervorgerufen zu haben, „sodass dieselben noch aufzuhalten ihm nicht mehr möglich war”.

Um so mehr bewundern wir die Ruhe und Kaltblütigkeit, die Führer dabei bewahrt, der in dieser höchst kritischen Situation nur dem Gefühl des Bedauerns Raum und Ausdruck giebt, dass es 'ihm nicht gelungen, seine Eskadron an der Flucht zu verhindern, die doch die anderen Kavallerie-regimenter schon vorher ergriffen hatten, und, statt sich von den fliehenden Mannschaften mit fortreißen zu lassen, an der Seite seines Kommandeurs ausharrt, bis auch dieser sich entschließt, den Kampfplatz zu verlassen.

Als eine geradezu glänzende Leistung aber messe es bezeichnet werden, dass es ihm nachher noch gelang, die „auf der Flucht zerstreute“ und jedenfalls stark demoralisierte Eskadron nicht nur „wiederum. zu formieren“, sondern sogar in den Bereich des verfolgenden Gegners hinein an den ihr gebührenden „place d'honneur“, d. h. wohl an den in der „ordre de bataille'' ihr zugewiesenen Platz zu führen! Soviel über die Erlebnisse Führers in der Schlacht bei Laffelt! Sie sollte die letzte grössere Aktion dieses Krieges sein, obwohl die Friedens-präliminarien erst am 30. April des folgenden Jahres (1748) von den Bevollmächtigten Englands, Frankreichs und der General-staaten unterzeichnet wurden und der definitive Friede zu Aachen gar erst im November zu Stande kam.


V. Ein unerquickliches Nachspiel, Verheiratung

Im Dezember des Jahres 1748 kehrten die hessischen Regimenter, nachdem sie sechs Jahre lang mit geringen Unterbrechungen, zuerst in den Niederlanden, dann in Bayern und zuletzt wieder in den Niederlanden im Felde gestanden, in die lang entbehrte Heimat zurück. Doch „alle nicht, die wiederkehrten, sollten sich der Heimkehr freu'n!”

Mochte schon der Verlauf des soeben beendeten langwierigen Krieges selbst, mit seinen ermüdenden und aufreibenden Märschen und Rückwärtsbewegungen, die nur verhältnismäßig selten. einmal wirklich kriegerische Situationen schufen, den Erwartungen Führers wenig entsprochen haben, so sollte er auch noch ein höchst unerquickliches Nachspiel für ihn und den vorläufigen Abschluss seiner militärischen Laufbahn zur Folge haben.

Schon im August des Jahres 1748 hatte Führer bei seinem Regiment gegen seinen damaligen Kompaniechef, den Major Schröder, eine Anklage wegen verschiedener Unterschlagungen eingereicht, die dieser in der bayerischen Kampagne sich hatte zu Schulden kommen lassen. Es war darauf zu einem äußerst verwickelten Prozess zwischen Kläger und Beklagtem gekommen, dessen Entscheidung sich fast drei Jahre hinziehen sollte, und in dessen Verlauf jener die schwersten Kränkungen und Widerwärtigkeiten zu erdulden hätte.

Nicht, genug. dass Major Schröder, an dessen Ehrenhaftigkeit zu zweifeln man sich lange zu sträuben schien, gegen Führer die schändlichsten Verleumdungen ausstreute, denselben einen „Aufwiegler der Unterthanen gegen. ihre Obrigkeit, einen Ehebrecher und Deserteur” nannte, der „aus purem Hass gegen ihn, die Anzeige getan, zuvor aber, um Inquisiten zu stürzen, sich ein Komplott ins Regiment gemacht habe“, wurde der Ankläger von seinen andern Gegnern auch noch bei Sr. Durchlaucht, dem. damaligen Prinzen Friedrich, und zwar, wie wir später sehen werden, nicht, ohne Erfolg, als ein „unruhiger, keine Subordination statuierender, und jungen Offizieren üble principia beybringender Mensch” angeschhwärzt.

Im November 1750 wurde der Angeklagte zwar endlich sämtlicher ihm zür Last gelegten Vergehen für schuldig befunden, seiner Charge entsetzt und kassiert, dem Ankläger auch das Zeugnis ausgestellt, dass er „keineswegs, wie ihm vom Denunzierten vorgeworfen, eine persona infamis” sei. Allein, um auch ihn nicht ungestraft ausgehen zu lassen, nahm die „Generalkriegskommission“ an, dass er „nicht aus reinem Interesse für Sr. Hochfürstlichen Durchlaucht Dienste, sondern aus Animosität das Meiste angezeiget und Verschiedenes, zu lange bey sich behalten“, und fügte jener Urteilsverkündung hinzu, dass auch Leutnant Führer „böser Consequenz halber der ohnehin geforderte Abschied zu erteilen sey“ .

Führer war über diesen Entscheid auf das tiefste empört. Hatte man doch, wie er in einem vom 18. Februar datierten Schreiben an den Statthalter sich ausdrückt, „bei dem last dreijährigen Lauf der Schröder'schen Sache weder Gegenbeweis noch Verant-wortung von ihm gefordert“. Tief gekränkt und im vollsten Bewusstsein seiner Unschuld richtete er daher am 15. Februar 1751 ein „Supplikat“ an den Statthalter, in dein er als „einziges Verbrechen den Eifer, den er für Sr. Hochfürstlichen Durchlaucht Dienst und Interesse bezeiget'' hinstellt, gegen das kriegsgerichtliche Urteil Verwahrung einlegt und am Schluss an die weltgepriesene Gerechtigkeit“ seines Herrn appellierend, die feste Überzeugung ausspricht, dass derselbe ihn „auch fernerhin seiner Dienste für würdig halten werde“, damit er „nicht gleiche Strafe mit dem beschuldigten Teile erleide“.

Welche Bewandtnis es aber mit dem „ohnehin geforderten Abschied” hatte, auf dem die gegen Führer verhängte Entlassung mit beruhte und der ausserdem noch zum Gegenstand gehässigster Unterstellungen wurde, zeigt das schon berührte Schreiben vom 18. Februar, welches die nähere Erklärung derjenigen Umstände enthielt, „worin man ihn vor dem Anfang des Schröder'schen Prozesses verwickelt und woraus seine dermalige Abschieds-forderung, ihren Ursprung genommen”. Führer erhebt hier gegen seinen Gegner u. a. den Vorwurf, dass er „ein Feind ehrlicher Leute gewesen, die sich zu seinen interessierten Absichten nicht hätten gebrauchen lassen wollen“, und bemerkt weiter, dass er (Führer) „wegen der von ihm bezeigten Treue die allerhärtesten Verfolgungen“ habe erleiden müssen und deshalb zunächst um Versetzung in eine andere Kompanie gebeten, als seinem Wunsche aber nicht entsprochen, „die Schröder'schen Verfolgungen dagegen sich täglich verdoppelt“ hätten, sich genötigt gesehen habe, seine Demission einzureichen.

Dieser letzte Schritt war jedoch keineswegs ernstgemeint, vielmehr, wie aus demselben und auch aus einem späteren Schreiben hervorgeht
lediglich in der Hoffnung geschehen, von Sr. Hochfürstlichen Durchlaucht, dem Prinzen Friedrich, „nach der Ursach' dieses Gesuches befragt zu werden“. Statt dessen erfuhr der Kläger drei Wochen später, dass Prinz Friedrich sein Abschiedsgesuch stillschweigend anzunehmen geruht und als er dann „auf's Äußerste alfligieret“, auf den Rat seines ihm. noch immer wohlwollenden Regimentskommandeurs v. Miltitz Sr. Hochfürstlichen Durchlaucht sich persönlich präsentierte, wurde ihm auf's neue Kränkung und Enttäuschung zu teil. Seine Gegner waren ihm zuvorgekommen. „Aus Deroselben ungnädigem Anblick“, schreibt er kurz darüber, „musste ich dero hohes Missfallen gegen mich annehmen, ja kurz hernach erfahren, wie man mich für einen ... ... ... Menschen ausgeschrieen.“

Diesem zweiten Schreiben an den Statthalter ließ Führer schon zwei Tage später jene Schutzschrift folgen, deren „Promemoria“ wir bereits kennen gelernt haben . Sie war übrigens nicht das letzte Wort, welches Führer in der für ihn so verhängnisvollen Angelegenheit an den Landgrafen richtete. Supplikat folgte noch auf Supplikat, sämtlich gehalten in dem gleichen Tone der Über-zeugung des Verfassers von seinem Recht; das letzte im Juli 1751.

Indes vergebens das kriegsgerichtliche Urteil wurde aufrecht erhalten bzw. bestätigt und der Supplikant mit einer monatlichen Pension von 30 Thalern verabschiedet, obwohl ihm seine Vorgesetzten einst zur Unterstützung jenes Abschiedsgesuchs das Zeugnis ausgestellt, dass er „in den vorgefallenen Kampagnen und Militäroccasionen als ein rechtschaffener Offizier sich erwiesen“ habe.

Außerdem nahm man es nun zum Anlass, eine genauere Bestimmung der Vergehen zu treffen - wie es scheint, mit rückwirkender Kraft.

Der General v. Miltitz, der das tapfere Verhalten Führers bei Laffelt nicht vergessen hatte, drückte sein Bedauern über diesen Verlust seines Regiments aus. Mehr konnte auch er nicht für ihn tun.

Wie unerwartet aber Leutnant Führer ein solcher Ausgang des Prozesses gekommen sein muss, geht vor allem daraus hervor, dass er kein Bedenken trug, noch vor erfolgter Entscheidung der Sache sich zu verheiraten, was wohl nicht geschehen wäre, wenn er geahnt hätte, dass es auch ihn die Stellung kosten würde .

Am 7. August 1749 fand nämlich in Felsberg, - dorthin hatte er sich, da er schon während der Dauer des Prozesses suspendiert war, wie es scheint, gleich nach seiner Rückkehr aus den Niederlanden zurückgezogen - die Vermählung des Leutnants in Prinz Maximilians Kavallerieregiment Friedrich Wilhelm Führer aus Preussisch Minden mit Jungfrau Christine Marie Rippon, ehelichen Tochter des † Joh. Christoph Rippon, Verwalters bei Oberstallmeister v. Boyneburgk zur Altenburg statt. Die Neuvermählten, „das stattlichste Ehepaar von ganz Hessen“, wie eine wohl etwas übertreibende Familientradition zu erzählen weiß .

Felsberg Ausschnitt aus dem Stich von Matthäus Merian dem Jüngeren 1655 in Topographie Hassiae

Noch ahnten sie nichts von dem drohenden Unheil, welches damals schon über ihrem jungen Eheglück sich zusammen zu ziehen begann. Freilich wie ein Blitz aus heiterem Himmel mag ihnen die nach wenig mehr als Jahresfrist über sie herein-brechende Entladung auch nicht gekommen sein. Schon geraume Zeit vorher vielmehr wird das dunkle Gewölk beunruhigend über ihnen geschwebt haben, und die dann folgende Zeit verzweifelten Sträubens gegen die Anerkennung des Urteilsspruchs und banger Ungewissheit, die grausame Bestätigung endlich, das alles war gewiss wenig geeignet, die ersten Jahre der Ehe sonnig zu gestalten.


VI. In Nassau-Usingischem Hofdienst in Biebrich und Paris.

Die 30 Thaler monatliche Pension, die Führer nach seiner Verabschiedung erhielt, stellen zwar für die damalige Zeit einen erheblich höheren Wert dar als heute , scheinen aber doch zum Unterhalt der sich bald vergrößernden Familie nicht ausgereicht zu haben.

Da es also für das „otium cum dignitate“ an der notwendigsten Voraussetzung fehlte, so blieb ihm nichts übrig als „sein Fortune anderwärtig zu machen”, mit anderen Worten, sich nach einer neuen Berufstätigkeit umzusehen. Aber erst nach zweijähriger Wartezeit hatte er das, freilich mit langer Trennung von Weib und Kindern erkaufte, Glück, eine solche zu finden. In dem schön gelegenen Biebrich am Rhein erhielt er am Hofe des Fürsten Karl von Nassau-Usingen eine Anstellung als “Hausintendant“, in der er bald Gelegenheit finden sollte, durch eine Reise nach Paris und etwa zweijährigen Aufenthalt daselbst seinen Gesichtskreis abermals und zwar in ganz anderer Richtung bedeutend zu erweitern .

Es war die Zeit, wo Ludwigs XV. allmächtige Egeria auf der Höhe ihres verderblichen Einflusses stand, Prunk und Glanz des Versailler Hoflebens aus scheinbar unerschöpflicher Quelle sich täglich neu ergänzten. Dieselbe Zeit aber war es auch, wo Bürger und Bauer der Druck von oben immer unerträglicher zu werden begann, das aller Sitte Hohn sprechende Treiben des Hofes und der ihm nahe stehenden Kreise der Krone Ansehn immer weiter untergrub und die Männer der Aufklärung eifrig am Werke waren, durch Wort und Schrift den Nimbus der „allerchristlichsten” Könige vollends zu zerstören und zunächst jene geistige Revolu-tion hervorzurufen, die nur die Vorläuferin der welterschütternden Ereignisse am fin de siècle sein sollte.

An Deutschlands Fürstenhöfen aber sah es damals vielfach nicht besser aus, das Versailler Vorbild hatte hier schon längst zahlreiche Nachahmung en miniature gezeitigt, als deren eine eben auch das Treiben an den beiden Nassauischen Höfen zu Biebrich und namentlich Saarbrücken uns vor Augen tritt, und gerade die Pariser Reise des Fürsten Karl mit ihrer Vorgeschichte gewährt ein äußerst drastisches und typisches Sittengemälde damaligen kleinstaatlichen Hoflebens, ohne dessen genauere Kenntnis der geneigte Leser die Bedeutung jener Reise für Friedrich Wilhelm Führer nur halb verstehen würde.

Der Fürst von Nassau-Saarbrücken , ein äußerst leichtsinniger Duodezpotentat, war von Eifersucht auf seinen älteren Bruder, den Fürsten Karl von Nassau-Usingen , geplagt, weil dieser nicht ebenso in Saus und Braus lebte und infolge dessen bei seinen Untertanen sich größerer Beliebtheit erfreute, als er selbst. Sein Zorn galt vor allem der Pompadour des Nassau-Usingischen Hofes, die im Gegensatz zur Mehrzahl ihrer Kolleginnen an andern Höfen einen heilsamen Einfluss auf Fürst und Ländchen ausgeübt zu haben scheint. Um sich nun an deren Stelle selbst zum „maitre absolu” seines Bruders zu machen, wusste er diesen im Jahre 1753 zu veranlassen, seine drei auf der Akademie zu Angers studierenden Söhne nach Paris zu schicken und selbst dort den nächsten Winter mit ihm zu verbringen. Die beiden fürstlichen Brüder waren kaum in Paris eingetroffen, wo für sie selbst und die drei aus Angers erwarteten Prinzen drei Hotels gemietet hatten, da begann der Saarbrücker auch schon seine Mephistorolle dem Bruder gegenüber zu spielen. Um die ihm verhasste „ancienne maitresse“ desselben zu verdrängen, führte er dem Fürsten Karl eine Pariser Straßendirne „sans esprit et de talens excepté ceux, que la vertue condamne“ als neue Geliebte zu.

Der, wie es scheint, schwache und unselbständige Fürst nahm dieselbe auch an und erhob sie alsbald zur Gräfin. Ja, durch das Anerbieten des Bruders, für den Unterhalt dieser Person sorgen zu wollen, ließ er sich das Versprechen ablocken, die Pseudogräfin mit nach Biebrich zu nehmen und ihr dort die Appartements der „ancienne maitresse“ einzuräumen.

Schon war der Tag der Abreise festgesetzt. Da, noch im letzten Augenblick, sollte das so leicht und aussichtsvoll angesponnene Intriguennetz zerrissen werden, ehe es noch sein Opfer rettungslos umgarnt hatte. Überzeugt, dass sein Herr sicherem Verderben entgegen gehe, hatte sich der Hofmeister der beiden ältesten Prinzen Friedrich August und Johann Adolf, der Oberst-leutnant v. Viethinghoff, gen. v. Scheel, nach Versailles begeben und dort durch Vermittlung des Kriegsministers beim König einen „lettre de chachet'' gegen die kommende Pompadour Nassau-Usingens erwirkt, auf Grund dessen diese verhaftet und so das Fürst und Ländchen drohende Unheil glücklich abgewendet wurde .

Soviel über Zweck und Anlass der Reise! Was die Beteiligung Führers daran und die ihm dabei zugewiesene Rolle angeht, so lässt sich aus einer Kombination der kurzen Striederschen Angabe, dass er im Jahre 1753 mit den genannten beiden Prinzen eine zweijährige Reise nach Frankreich gemacht habe mit den gelegentlichen Erwähnungen desselben in den „Akten der Wiesbadener Hofkammer, betreffend den Hofmeister der Prinzen Friedrich August und Johann Adolf v. Nassau-Usingen, Obristlieutenant v. Viethinghoff, dessen Amtsführung während des Aufenthalts der Prinzen in Frankreich“ etc. sowie den darunter befindlichen von seiner Hand aufgestellten Verzeichnissen und Rechnungsabschlüssen ein wenigstens ungefähres Bild gewinnen. Danach scheinen alle dem Gouverneur vom Fürsten Karl zur Verfügung gestellten Gelder durch die Hände des Intendanten gegangen zu sein. Außerdem lag diesem die Rechnungsführung über die von den beiden Prinzen und ihrem Hofmeister gemachten Anschaffungen ob, bei der schier unübersehbaren Zahl von Bedürfnissen aller Art gewiss keine leichte Aufgabe.

Wenn wir der Strieder'schen Angabe Glauben schenken dürfen, so müsste Führer die beiden Prinzen auch schon nach Angers begleitet haben, was freilich aus erwähnten Akten nicht ersichtlich ist, aus denen nur hervorgeht, dass er in den beiden folgenden Jahren in Paris das Amt eines Intendanten der prinzlichen Hofhaltung versah. Hier lässt sich seine Spur verfolgen bis Ende Juli 1755. Im folgenden Monat wurde die Rückreise nach Biebrich angetreten und zwar über Landau, wo die Prinzen erst noch einigen Aufenthalt genommen zu haben scheinen. In Biebrich selbst ist die Anwesenheit des Intendanten erst wieder vom 27. März 1756 ab bestimmt nachweisbar .

Zwei volle Jahre also, vielleicht noch länger, hatte Führer in der Metropole der Intelligenz und des Leichtsinns verlebt. War seine Stellung daselbst auch eine bescheidene gewesen, so doch geeignet, ihm ganz neue, andern Sterblichen oft auch in höherer Stellung nicht so leicht zugängliche Gebiete menschlichen Lebens zu erschließen, indem sie ihn nicht nur in die Geheimnisse eines kleinstaatlichen deutschen Hoflebens Einblick gewährte, sondern gelegentlich gewiss auch einen Blick hinter die Kulissen des Versailler Vorbildes tun ließ.

Öffnete sich hier ein tiefer Abgrund höfischer Sittenverderbnis vor seinen Augen, der, wenngleich seine Welterfahrung berei-chernd, im ganzen vielleicht wenig erhebend und fördernd für ihn gewesen sein mag, so fehlte es daneben doch auch nicht an Anregungen und Einflüssen veredelnder Art. Bei aller Laster-haftigkeit zeigte sich die Marquise v. Pompadour, Frankreichs eigentliche Beherrscherin, doch auch eifrig bemüht, dass Paris der alte Ruf als Metropole der Intelligenz nicht verloren ging. Unter ihrem Schutze hatten dort nach vorübergehender Verbannung schon längst wieder die Musen ihren Sitz aufgeschlagen, und wie hätte er, der Musenfreund, nicht, so oft es irgend anging, in ihre Arme eilen, an ihre Brust flüchten sollen, wo nach des Dienstes prosaischer, ihm gewiss wenig zusagender Tätigkeit, Erholung, Anregung und Belehrung seiner warteten!

Natürlich konnte es nicht ausbleiben, dass er hier auch mit den Erzeugnissen der damals gerade in Blüte stehenden Aufklärungs-literatur, vielleicht auch mit diesem und jenem “Apostel des Unglaubens und der Freiheit“ selbst bekannt wurde . Ob er sich ihre Anschauungen zu eigen machte,? Wer möchte diese Frage beantworten? Sie etwa bloß auf Äußerung, dass er „seinen Erlöser in jüngeren Jahren nicht genugsam gekannt“, bejahen zu wollen, dürfte etwas gewagt sein. Wir wollen deshalb in Ermangelung anderweiten Beweismaterials lieber darauf verzichten und zum Schluss nur noch bemerken, dass sich Friedrich Wilhelm Führer hier in Paris vermutlich auch jene Gewandtheit im Gebrauch der französischen Sprache aneignete, die es ihm später, wie wir sehen werden, ermöglichte, umfangreiche wissenschaftliche Abhand-lungen darin abzufassen.

Wie lange Führer nach seiner Rückkehr aus Frankreich noch am Biebricher Hof verblieb, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Nur soviel steht fest, dass er sich im Jahre 1757 bereits wieder in einer ganz andern Stellung befand.


VII. Bei den hessischen Jägern im
siebenjährigen Kriege

Im August 1756 hatte Friedrich der Grosse durch sein Einrücken in Sachsen das kaum zur Ruhe gekommene Europa zum zweiten Mal in kriegerische Bewegung versetzt. England, die einzige mit ihm verbündete auswärtige Macht, aber hatte ungefähr zu derselben Zeit, um die mit Maria Theresia verbündeten Franzosen im Schach zu halten, unter dem Herzog v. Cumberland im Hannöverschen eine aus Engländern, Hannoveranern, Gothaern und Bückeburgern bunt zusammengewürfelte „Observations-Armee“ aufgestellt, die im Jahre 1757 noch durch ein landgräflich hessisches Korps von 8.000 Mann unter dem Prinzen Ysenburg verstärkt wurde.

Leider zeigte sich der englische Oberbefehlshaber seiner Aufgabe wenig gewachsen. Bei Hastenbeck an der Weser am 26. Juli 1757 von den Franzosen geschlagen, schloss er mit diesen die schmachvolle Konvention von Kloster Zewen, durch die sich ein Teil von Hannover, Westfalen und auch Hessen der Heimsuchung durch die französische Invasionsarmee schutzlos preisgegeben sah.

Zum Glück für diese Länder erkannte die englische Regierung die Konvention nicht an, berief Cumberland ab und ernannte zu seinem Nachfolger einen Feldherrn, wie sie in der Tat einen geeigneteren nicht hätte finden können, den Herzog Ferdinand von Braunschweig.

Zwar die Besetzung der genannten Länder durch die Franzosen hatte auch er, schwach wie unmittelbar nach der unheilvollen Konvention die ihm unterstellteArmee nun einmal war, nicht verhindern können. Aber noch war der Frühling des folgenden Jahres (1758) nicht ins Land gekommen, da hatte er die frechen Eindringlinge auch schon so zum Teufel gejagt, dass sie erst hinter dem Rhein wieder Halt zu machen wagten.

Auch Herzog von Broglio, der sich in Hessen häuslich eingerichtet hatte, musste sich damals schleunigst aus dem Staube machen. Um aber dieses Land vor einer abermaligen Invasion zu bewahren, sandte Herzog Ferdinand, während seine Hauptarmee die Verfolgung des verjagten Feindes aufnahm, den General-leutnant Prinz Ysenburg mit zwei Regimentern dorthin. In Hessen angekommen, erhielten dieselben eine Verstärkung durch mehrere zur Landesverteidigung inzwischen formierte Milizbataillone, vor allen aber durch das zu derselben Zeit (Frühjahr 1758) errichtete „Feldjägerkorps“. Letzteres müssen wir uns aus bald ersichtlichen Gründen, etwas genauer ansehen.


Hessicher Jäger um 1758

Es war in der Waldau bei Cassel organisiert worden, dem alten Standquartier der hessischen Jäger, und bestand zunächst nur aus zwei je 60 Mann starken Kompagnien. Den Stamm desselben bildete die damalige Landjägerei und wurden außer Forstleuten nur noch gute Schützen angenommen. Eine Elitetruppe im eigentlichen Sinne des Wortes war das Jägerkorps nicht allein durch bessere den Mannschaften zu Teil werdende Behandlung, sondern auch durch höhere Besoldung vor den Linientruppen ausgezeichnet.

Die Uniform bestand in schwarzem Hut, grünem Rock und Weste mit ponceau-roten Aufschlägen und Kragen, engen, kurzen Hosen und langen Gamaschen, die Waffenrüstung aus gezogenen Büchsen und Hirschfängern. Außerdem trug der Jäger einen Ranzen und eine Feldflasche, und, um sich frei bewegen zu können, möglichst wenig Gepäck . Verwendung fand das Jägerkorps hauptsächlich im Aufklärungs-, und Vorpostendienst.

In kühnen Streifzügen, häufig in Verbindung mit leichter Kavallerie unternommen, sehen wir seine Kompanien nicht selten weit vom Gros bis mitten in vom Feinde besetztes Gebiet sich entfernen. Wie beim Vorrücken die Avantgarde ihr stehender Posten war, so pflegten sie umgekehrt beim Zurückgehen der Arrieregarde zugeteilt zu worden, wo sie durch ihr wohlgezieltes Feuer den verfolgenden Feind in angemessener Entfernung zu halten wussten.

Zum Kommandeur dieses im Frühjahr 1758 errichteten Korps und zugleich zum Chef der ersten Kompanie desselben wurde Major Wilhelm v. Buttlar aus Markershausen ernannt die zweite Kompanie aber am 25. Mai keinem andern übertragen als dem bereits am 20. April zum Kapitän beförderten ehemaligen Leutnant im Kavallerie-Regiment „Prinz Maximilian“, Friedrich Wilhelm Führer . Letzterer bemerkt in einem der später von ihm eingereichten Abschiedsgesuche ausdrücklich, dass ihm diese Charge für “untertänigst geleistete patriotische Dienste aus eigener hoher Bewegung (des damaligen Landgrafen Wilhelm) und ohne sein (Führer’s) Gesuch conferiret“ worden sei.

Leider wird nicht erwähnt, worin diese „patriotischen“ und, wie es in einem andern Schreiben noch heißt, „mit guten Succes begleiteten“ Dienste bestanden haben. Wenn aber als Zeitpunkt dafür die „erste französische Invasion“ angegeben wird, so kann es sich mir um das Jahr 1757 handeln, während dessen Führer, wenn die Striedersche Angabe zutrifft, die Stellung eines „Kriegs-commissarius“ (Intendanten) bei dem hessischen Korps in der alliierten Armee bekleidete.

Doch wie dem auch sei, jedenfalls müssen wir in der Beförderung des im Jahre 1751 verabschiedeten Leutnants ohne inzwischen geleistete weitere Kriegsdienste zum Kapitän einer so ange-sehenen und zu so schwierigen Dienstleistungen prädestinierten Truppe, wie das Jägercorps es war, einen Beweis großen, allerhöchsten Vertrauens erblicken.

Schon bald nach ihrer Errichtung sollten die Jäger zeigen, was sie, zu leisten im Stande waren, denn auf‘s Neue rückten französische Heereshaufen drohend gegen die Grenzen des kaum von ihnen befreiten Hessenlandes heran. Soubise, der mit seiner Armee bis Frankfurt vorgedrungen war, ließ von Hanau aus den Herzog v. Broglio gegen den Prinzen Ysenburg vorrücken, der mit seinem Korps in der Gegend von Marburg stand.

Vor der erdrückenden Übermacht des Gegners zog sich letzterer allmählich bis Cassel zurück und nahm dann am 23. Juli mit dem Gros seines Korps auf dem in der Nähe gelegenen Sandershäuser Berge Aufstellung, um hier dem Feinde die Stirn zu bieten.

Die beiden JägerKompanien aber unter Major v. Buttlar und, wie wir annehmen müssen, Kapitän Führer, blieben mit 60 Husaren unter Major v. Schlotheim in Bettenhausen zurück, um hier als Avantgarde den Feind möglichst lange festzuhalten. Um die Mittagszeit von zwei Seiten angegriffen, leisteten sie daselbst den hartnäckigsten Widerstand und brachten mit ihrem wohlgezielten Feuer dem Gegner nicht unerhebliche Verluste bei. Allein, obwohl später noch durch das Bataillon Ysenburg und zwei Geschütze verstärkt, vermochten sie sich auf die Dauer doch nicht gegen die große Übermacht zu halten und zogen sich dann ebenfalls nach dem Sandershäuser Berge zurück, wo sie von dem Hauptkorps aufgenommen, auf dessen rechtem Flügel postiert wurden.

Hier behaupteten sie sich an dem mit Buschwerk bewachsenen steilen Abhang über der Fulda lange Zeit mit großer Tapferkeit im heftigsten Geschützfeuer, manche todbringende Kugel in die feindlichen Reihen sendend. Doch die Übermacht des Gegners war zu überwältigend, und so mussten. die, Hessen, obwohl sie „wie die Löwen gestritten“ , schließlich das Feld räumen. Die Jäger aber feuerten noch lange Zeit aus den von ihnen besetzten Büschen auf den nachdrängenden Feind, bis auch sie dort vertrieben und, wie heißt, zum Teil die steile Böschung hinab in die Fulda gedrängt wurden. Der großen Tapferkeit, mit der das Ysenburg'sche Korps an diesem Tage gekämpft, entspricht auch der Verlust, der auf 1000 Mann, d.h. mehr als ein Viertel aller Streiter angegeben wird.

Unter den Verwundeten befand sich auch der Kommandeur des Jägerkorps Major v. Buttlar, der bei dieser Gelegenheit vermutlich in die von Kapitän Führer erwähnte Gefangenschaft geriet, während dieser selbst vertretungsweise das ganze Korps führte . Genauere Mitteilungen über diese Vertretung wie überhaupt über die Tätigkeit und Erlebnisse Führers in diesem Kriege besitzen wir leider weder aus seiner eigenen Feder noch von irgend einer anderen Seite.

Nur ganz allgemein bemerkt er in dem schon erwähnten Abschiedsgesuch, dass er in dieser Zeit „die Fehler der Einrichtung des Korps zu verbessern getrachtet und unermüdet und glücklich“ in seinen Bemühungen gewesen sei, „die Ehre und den, Ruhm des Korps zu befördern, mehren und zu erhalten”. Zum Beweis aber beruft er sich auf das Zeugnis „des ganzen, unter seiner Führung derzeit gestandenen Korps”, sowie alle seine darüber „gehörigen Orths gepflogenen Correspondenses und alle Unternehmungen, die demselben Ehre gemacht“. Diese Correspondenses scheinen leider verloren gegangen zu sein, so dass sich darüber, welche Unternehmungen damit gemeint sind, nur mehr oder weniger sichere Vermutungen aufstellen lassen.

Ging die Führung des Jägerkorps gleich nach oder vielmehr noch während der Schlacht bei Sandershausen auf den Chef der zweiten Kompanie über, so haben wir zunächst an die Rückzugsgefechte zu denken, die dasselbe hier und namentlich später im September den französischen leichten Truppen unter Oberst Fischer lieferte, die nicht unwesentlich dazu beitrugen, dem Ysenburg'schen Korps einen geordneten Rückzug bis nach Hameln zu ermöglichen. Ferner an die heftigen Vorposten-gefechte, in welche die hessischen Jäger im Oktober bei Sandershausen und Landwehrhagen mit der vom Herzog v. Broglio geführten Avantgarde der Soubise'schen Armee ver-wickelt wurden, das Vorspiel der am 10. Oktober für das Oberg’sche Korps unglücklich verlaufenen Schlacht bei Lutterberg.

Bei all’ diesen Aktionen sowie endlich auch bei dem Rückzug Oberg's über Münden, dessen Deckung den Jägern ebenfalls wieder zufiel, wurde, die Richtigkeit unserer vorhin ausge-sprochenen Annahme vorausgesetzt, nicht nur die zweite Kompanie, sondern das ganze Jägerkorps von Kapitän Führer kommandiert.

Wie lange die Vertretung dann noch gedauert hat, lässt sich leider nicht feststellen. Jedenfalls war sie im März 1759 zu Ende, wo in der „Geschichte des kurhessischen Jägerbataillons“ wieder von „Buttlarschen Jägern“ die Rede ist. Die Jäger wurden damals zur Kolonne des Generals v. Urff abkommandiert, die den Auftrag hatte, österreichische Streifkorp's, die die Gegend zwischen Werra und Fulda unsicher machten, zu vertreiben, und es gelang ihnen als Avantgarde bei Philippstal ein österreichisches Kommando von 70 Mann gefangen zu nehmen.

Erscheint bei den seither geschilderten Expeditionen eine Beteiligung Führers, zum mindesten als Chef der zweiten Kompanie, so gut wie sicher, so lässt sich dies bei den folgenden nicht so ohne weiteres annehmen, da einmal jetzt noch zwei weitere Kompanien, die Anfang des Jahres 1759 errichtet waren, auf dem Kriegsschauplatz erscheinen, außerdem aber an einer Reihe von Unterneh-mungen nicht das ganze Korps, sondern nur unbestimmte Teile desselben beteiligt waren. Zu den Aktionen, die das ganze Korps, also auch die zweite Kompanie, mitmachte, gehört jedenfalls die Schlacht bei Bergen, deren Toben bekanntlich der zehnjährige Goethe auf dem Boden seines elterlichen Hauses in Frankfurt vernahm .

Bei dem Angriff, den Herzog Ferdinand am 23. April 1759 auf das von den Franzosen unter Broglio verteidigte Dorf unternahm, standen die hessischen Jäger wieder auf dem rechten Flüge, wo sie einem heftigen Feuer seitens der den Vilbeler Wald besetzt haltenden französischen Jäger ausgesetzt waren. Sie drangen schliesslich mit Ungestüm in das Gehölz ein und warfen sich auf den Gegner. Ehe sie diesen jedoch daraus vertreiben konnten, wurden sie zurückgezogen, nachdem der Herzog den nach dem Fehlschlagen des ersten Angriffs beabsichtigten zweiten Versuch, das Dorf zu nehmen, aufgegeben hatte.

Nicht lange nachher sehen wir die unermüdlichen Grünröcke auf kühnen Streifzügen in das Fuldasche, ja bis in das Würzburgische und Weimarische hinein schwärmen. Am 18. Mai trafen sie wieder in Hersfeld ein, und jetzt sollte ihnen nach den überstandenen Gefahren und Strapazen eine kurze Zeit der Erholung vergönnt sein, die Friedrich Wilhelm sogar das Glück hatte, im Kreise seiner Familie verbringen zu können. Denn während die erste und vierte Kompanie am 20. Mai nach Homberg aufbrachen, traten die dritte und - vielleicht nicht ganz zufällig - die zweite an demselben Tage den Marsch nach Felsberg an.

Doch der Kriegsgott ist unerbittlich. - Am 6. Juni entriss er den heimgekehrten Kapitän auf's neue den Armen der besorgten Gattin und der ihn umringenden und seinen Kriegserlebnissen lauschenden Kinderschar, und fort ging's wieder „hinaus in's feindliche Leben“, diesmal, um dem Korps des Generals v. Imhoff bis tief ins Land der roten Erde hinein zu folgen.

Dort sehen wir die Jäger schon wenige Tage nachher auf Vorposten und Streifzügen zwischen Lippe und Ems sich mit den Franzosen herumschießen. Mit unverwelklichem Ruhm aber bedeckten sie sich am 28. Juni bei der Erstürmung von Osnabrück durch General Drewes und Hauptmann v. Schlieffen, wo ihnen unter anderem zwei feindliche Geschütze in die Hände fielen, die ihnen dann Herzog Ferdinand in Anerkennung ihrer Tapferkeit zum Geschenk machte.

Im Dezember trat ein Wechsel im Kommando des Jägerkorps ein, indem an Stelle des als Oberforstmeister nach Marburg abgegangenen Majors v. Buttlar Oberstleutnant v. Lindau zum Kommandeur desselben ernannt wurde. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dies Ausscheiden v. Buttlar's in direktem Zusammenhang mit seiner Gefangennahme stand, mit andern Worten, die conditio seiner Freilassung gewesen ist. In diesem Falle würde die interimistische Führung des Korps durch den Chef der zweiten Kompanie nicht in die oben angenommene Periode des Krieges fallen, ihr Beginn vielmehr eine nicht genauer zu bestimmende Zeit vor erwähntem Kommandowechsel anzusetzen sein, jedenfalls aber nicht vor März 1759, wo die Anwesenheit Buttlar’s bezeugt scheint.

Im folgenden Jahre wurden die vier FußKompanien des Jägerkorps noch durch zwei bereits im Dezember 1759 errichtete Kompanien zu Pferde verstärkt. Wir müssen es uns jedoch versagen, das Korps auf all' den Kreuz- und Querzügen dieses Jahres zu begleiten und bemerken nur in Kürze, dass zuerst Hessen und Waldeck und später das untere Diemel- und obere Wesergebiet die Schauplätze seiner diesmal, wie es scheint, durch Aktionen größeren Stils nicht in Anspruch genommenen Tätigkeit waren.

Im folgenden Jahre 1761 wurde abermals ein Wechsel, im Kommando notwendig. Dasselbe ging, nachdem Oberst v. Lindau am 21. Juni in dem sonst unbe-deutenden Gefecht bei Lünen unweit Hamm gefallen war, an den Major v. Winzingerode über.

Wenn aber Führer jetzt scheinbar zum zweiten Mal übergangen wurde, so darf darin doch keineswegs eine Zurücksetzung erblickt werden, da die interimistische Führung des damals übrigens erst aus zwei Kompanien bestehenden Korps ihm bei seiner erst dreijährigen Kapitänszeit noch keinerlei Anwartschaft auf die mit der definitiven Übertragung des Kommandos notwendig verbun-dene Weiterbeförderung gab.

Die Jäger unternahmen in dieser Zeit Streifzüge zwischen Hamm und Soest, wobei es wiederholt zu blutigen Rencontres mit den Franzosen kam, ohne dass wir erfahren, welche von den nunmehr sechs Kompanien jedesmal beteiligt waren. Führer befand sich, wie wir von ihm selbst wissen, im August in dem unweit Soest gelegenen Asserten mit seiner Kompanie auf Vorposten. Von hier aus richtete er nämlich das erste der beiden Abschiedsgesuche an den Landgrafen, deren Inhalt uns im nächsten Kapitel beschäftigen wird.


VIII. Letzte Zeit bei den Jägern,
Abschluss der Militärlaufbahn beim Garnisonsregiment v. Kutzleben

Schon zu Beginn der laufenden Kampagne (1761) waren die Kompanien, wie es in der „Geschichte des kurhessischen Jägerbataillons“ heißt, „durch Krankheiten und sonstige Verluste ziemlich geschwächt“. Die Darstellung des folgenden Kriegs-jahres (1762) aber wird mit der Bemerkung eingeleitet, dass die Jäger die ihnen im Winter (1761/62) zuteil gewordene Ruhe sehr nötig gehabt hätten, um sich von den „schrecklichen Mühselig-keiten und der nachteiligen Witterung“ des vorigen Feldzuges zu erholen.

So darf es uns denn auch nicht verwundern, wenn die Gesundheit von Friedrich Wilhelm Führer, wie er selbst sich ausdrückt, “durch die erlittenen Fatiquen gänzlich absorbiert” war, und wir verstehen es, wenn er am 19. August in erwähntem Asserten sich hinsetzte und ein Schreiben an den Landgrafen richtete mit der Bitte, „mit Beibehaltung der ihm gnädigst vermachten Pension sein dermaliges Emploi niederlegen und seiner Gesundheit abwarten zu dürfen“. Näherte er sich doch bereits den Fünfzigern. Dazu mochten die Strapazen des langwierigen österreichischen Successionskrieges schon den besten Teil seiner Kraft verbraucht haben. Freilich war dies nicht der einzige Grund, der ihm die Feder zur Abfassung jenes Gesuches in die Hand drückte, wie der Leser sich selbst überzeugen möge:

"Durchlauchtigster Fürst, Gnädigster Fürst und Herr!

Aus angebogener Copiei werden Ew. Hochfürstl. Durchlaucht diejenigen Merkmale der gnädigsten Erkandlichkeith so höchst Deroselben in Gott ruhenden Herrn Vatters Hochfürstl. Durchlaucht glorieusen Andenkens für meine bei der ersten französischer Invasion geleistete getreue und mit guthen Succes, begleitete Dienste aus eigener hoher Gesinnung und Begünstigung eines derozeithigen hohen Ministerii mir angedeihen lassen, zu ersehen gnädigst geruhen.

Wie exact ich seith dehm meiner Obliegenheith und Schuldigkeith in der mir gnädigst anvertraueten Charge ein Genügen geleistet, mit wievielen standhaften und uneigennutzigen Eifer ich die Fehler der Einrichtung des Corps währender Gefangenschaft und Abwesenheith des damahligen Chefs Major v. Buttlars (dessen Stelle ich zuvertrethen genöthiget worden) zum unwiedersprechlich An Nutzen des Dienstes zu verbesseren getrachtet und wie unermüdet und glücklich meine Beimühungen, Fleiss und Application gewesen, die Ehre und den Ruhm des Corps zu beförderen, zu vermehren und zu erhalten, solches muss das ganze unter meiner Führung derozeit gestandene Corps, meine darüber gehörigen Orths gepflogene Correspondences und alle Unternehmungen, die demselben Ehre gemacht, unwiedersprechlich beweisen.

Bei einer so regelmässigen und untadelhaften Conduite habe ich den Neid und die Verkleinerung verachtet und würde von Ew. Hochfürstl. Durchlaucht Gerechtigkeith allein die ferneren Belohnungen erwarten können, wenn meine durch die erlittenen Fatiquen gänzlich absorbirte Gesundheith es zulassen wolte. Da aber diese kundlichermassen an der Forthsetzung meiner Dienste hinderlich, so lebe des unterthänigsten Vertrauens, Ew. Hochfürstl. Durchlaucht werden gnädigst zu erlauben geruhen, dass mit Beibehaltung der mir gnädigst veormachten Pension mein dermahliges Emploi niederlegen und meiner Gesundheit abwarthen möge. Der ich in tiefstem Respect ersterbe

Ew. Hochfürstl. Durchlaucht
unterthänigster Knecht
Frid. Wilh. Führer
Capit. des löbl. Jäger Corps.
Auf den Vorposten zu Asserten den 19ten Aug. 1761. "

Die Antwort, die ihm der Landgraf auf dieses Schreiben durch den Major v. Winzingerode zugehen ließ, war kurz. Führer erhielt zunächst einen Verweis dafür, dass er sich „direkte bei ihm um den Abschied gemeldet“, im übrigen aber den Bescheid, dass er sich „gedulten müsse“.

Im September dieses Jahres finden wir Führer in dem Städtchen Dissen am Teutoburger Wald wieder, welches die hessischen Jäger als ein Teil des v. Obeimb’schen Korps besetzt hielten. Sie hatten dort, wie es scheint, einen harten Stand überlegenen französischen Streifkorps gegenüber, die, wie es in der „Geschichte des kurhessichen Jägerbataillons“ heißt, die umwoh-nende Bevölkerung arg misshandelten und auch dann noch Herren der Situation blieben, als das Oheimb'sche Detachement durch das Scheither'-sche Freikorps verstärkt worden war.

Eben von hier aus aber wiederholte Führer schon am 30. September sein Abschiedsgesuch mit noch ausführlicherer Begründung:

Durchlauchtigster Fürst, Gnädigster Fürst und Herr!

Was an Ew. Hochfürstl. Durchlaucht untern 19ten Aug. c. in Ansehung meiner gnädigsten Erlassung abgehen, und durch die Hand des Herrn Obrist v. Schliefen höchst Denenselben überreichen zu lassen, mich unumgänglich genöthiget gesehen, habe hierdurch des mehrern zu bewirken, keinen ferneren Anstand nehmen können. Die Beweggründe sind meiner Seiths von der aller erheblichsten Arth, und müssen in der Folge Ew. Hochfürstl. Durchlaucht Dienste selbst höchst zuträglich sein, allermassen, mich eines theils, eine abgenutzte Gesundheith, zweitens, eine durch Verachtung unverdient beleidigte Ehre zu ferneren Diensten gänzlich unfähig gemacht. Es bleibt mir solchemnach nichts mehr übrig, als die in Ew. Hochfürstl. Durchlaucht Diensten dermahlen bekleidende von Höchst Deroselben in Gott ruhenden Herrn Vaters Durchlaucht glorieusen Andenkens, als eine fur unterthänigst geleitete patriotische Dienste aus eigener hoher Bewegung und ohne mein Gesuch gnädigst conferirte, mit beneideter Ehre, Eifer und. Application zum waren Besten des Diensts bis annoch verwaltete Charge zu Höchst Deroselben anderweithen gnädigsten Disposition unterthänigst zu resigniren. In Ansehung der mir des mehrern von Höchst Deroselben Herrn Vatters Hochfürstl. Durchlaucht vermöge zweier, meinem obangeführten unterthänigsten Abscheids Gesuche in Copia beigefügter Rescripter gnadigst vermachter monathlicher Pension ad 30 Rthlr., halte ich mich um so mehr gesichert, je mehr die Beweg-Uhrsachen, worauf dieselbe gegründet, die Belohnung geleisteter Dienste und Verdienste, zum Endzweck gehabt, und die Erfüllung solcher den Nachruhm eines so würdigen Regenten verewigen, den Absichten und Gesinnungen von Ew. Hochfürstl. Durchlaucht als von einen aus dessen Bluthe abstammenden würdigen Nachfolger ohngezweifelt erwarthen kann.

Jedennoch aber trage auch kein Bedenken, mich des ferneren Genusses dieser so legitim erworbenen höchsten Wohlthat für unwerth und verlustig zu erkennen, wann seithdehm an der, diesen meinen hohen Wohlthäter dafür schuldigen unterthänigsten Dankbahrkeith ich im allergeringsten etwas ermanglen lassen, die Ehre, den Ruhm, Wohlsein und Nutzen Ew. Hochfürstl. Durchlaucht Dienstes eifrigst zu befördern, unterlassen, oder aber durch meine personelle Conduite auch im mindesten verdunkelt und benachtheiliget haben könnte. Da aber mein zufriedenes und ruhiges Gewissen nebst den unverwerflichen Zeugnisse der guth und gründlich denkenden Weld mich vollenkommen sicher stellet, so kann unter dem Schutze Ew. Hochfürstl. Durchlaucht Gesetze und Gerechtigkeith dem gehässigen Neide und der niederträchtigen Verleumdung, als denen verachtungswürdigsten Feinden Ew. Hochfürstl. Durchlaucht selbst eigenen waren interesse und redlich dafur gesinneter Leuthe, mit derjenigen Verachtung entgegen gehen, welche der wahren Ehre und einem zufriedenen Gewissen vorzüglich und alleinig eigen, mithin des künftigen Genusses einer im Dienst des Vaterlandes einfolglich mit Ruhm und Ehre acquirirter gnädigsten Pension umsomehr versichert sein, und dieses kann ich von Ew. Hochfürstl. Durchlaucht Ruhme, von Dero Gerechtigkeith und der dem Andenken eines so grossen Vaters und würdigen Vorgängers bestimmten Höchsteigenen Verehrung sicher und gewiss erwarthen und dafür werde zeithlebens mit devotesten Respect sein und ersterbe

Ew. Hochfürstl. Durchlaucht
unterthänigster Knecht
Frid. Wilh. Führer.
Dissen, den 30ten Sept. 1761.

Staats-Archiv Marburg, Akten des Feldjäger Corps zu Fuß (1760-1763).

Doch der Landgraf blieb hart. Er sprach in seinem Antwort-schreiben unter Hinweis auf seine „vorige Ordre“ die Hoffnung aus, dass „gedachter Führer sich beruhigen“ werde.

So musste dieser denn weiter ausharren auf einem Posten, dem er sich offenbar physisch nicht mehr gewachsen fühlte und der ihm dazu noch durch die von ihm angedeuteten Widerwärtigkeiten verleidet worden war. Und es wurde ihm nicht leicht gemacht. Denn erst nach weiteren, außerordentlich anstrengenden und durch die Ungunst der Jahreszeit noch besonders erschwerten Streifzügen und Expeditionen sollte ihm und seinem Korps die ersehnte und notwendige Ruhe zuteil werden. Wir erfahren darüber noch Folgendes:

Im Oktober erhielt auch der Erbprinz v. Braunschweig Befehl, dem bedrängten Oheimb’schen Korps zu Hülfe zu kommen. Er war jedoch kaum im Münsterlande eingetroffen, da sah er sich auf die Kunde, dass Braunschweig selbst bedroht sei, genötigt, nach der Diemel zurückzumarschieren. Dorthin aber folgten ihm auch die hessischen Jäger, um darauf erst noch das Waldecksche, das Paderbornsche und die Wesergegend zu durchstreifen, ehe sie am 18. Dezember zu Gross-Freiden an der Leine in ihre Winter-quartiere einrückten.

Der Chef der zweiten Kompanie aber muss trotz seiner Dienstmüdigkeit auch fernerhin noch seinen Posten zur vollen Zufriedenheit seines obersten Kriegsherrn ausgefüllt haben, wenn er am 16. Januar des folgenden Jahres zum Major befördert wurde . Beim Jägerkorps konnte er freilich bei seiner angegriffenen Gesundheit nicht gut länger verbleiben. Deshalb wurde er laut Patent vom 17. Januar schon zum Garnisons-regiment v. Kutzleben transferiert, blieb jedoch als überzähliger Major einstweilen noch bei seiner Kompagnie, bis er am 16. Februar von Braunschweig aus den Befehl erhielt, sich, sobald er die „Kornpagnie-Vergleichung und etwaige sonstige Rech-nungssachen bei dem löblichen Jägerkorps zur Richtigkeit gebracht haben werde, bald thunlichst und ohne den mindesten Anstand, auch ohne vorhero an einen andern Ort zu gehen, zu dem Katzleben'schen Garnisonsregiment nach Rinteln zu verfügen .”

Das klingt schon wieder ein wenig nach Ungnade und macht fast den Eindruck, als habe sich Führer gegen diese Versetzung gesträubt. Doch wie dem auch sei, in Rinteln, wo er mit jugendlicher Hoffnungsfreudigkeit vor 22 Jahren seine militä-rische Laufbahn begonnen, dort sollte sie auch zum Abschluss kommen. Dort wurde er, ohne dass wir das Geringste über den Grund erfahren, “laut gnädigstem Patent Serenissimi Hochfürstl. Durchlaucht schon unterm 10. Juli 1762 cassiret” .

An Feinden, die höheren Orts gegen ihn intriguierten, hatte es ihm ja, wie wir gesehen, diesmal ebensowenig gefehlt, wie im österreichischen Erbfolgekriege. Ja, wir gehen vielleicht nicht fehl in der Annahme, dass es dieselben “rachsüchtigen Gegner” waren, die es seiner Zeit verstanden hatten, ihn mit in den Sturz des von ihm angeklagten Majors Schröder hineinzuziehen. Mit welch’ bittern Gefühlen mochten sie im Jahre 1758 die Nachricht von der so glänzenden Rehabilitierung ihres Opfers aufgenommen, wie mögen sie seitdem auf eine Gelegenheit zu seinem Sturz gelauert, nach einer Blöße gespäht haben, die er sich etwa geben könnte! Statt dessen mussten sie zu ihrem weiteren Verdruss erleben, dass ihm während Buttlar’s Gefangenschaft die Führung des ganzen Korps anvertraut wurde. Aber sie gaben die Hoffnung nicht auf, und Beharrlichkeit führte scheint’s auch hier zum Ziele.

Die „gänzlich absorbierte Gesundheit“, die Friedrich Wilhelm Führer hier und da an der vollen Erfüllung seiner Dienstpflichten hinderlich gewesen sein mag, sie bot ihren Verleumdungen vermutlich eine willkommene Handhabe, und es mochte ihnen schon ein Triumph dünken, als Führer seinen Abschied einreichte. Aber der Verleumdete war wenigstens in der Lage, sich auf sein „zufriedenes und ruhiges Gewissen nebst dem unverwerflichen Zeugnisse der gut und gründlich denkenden Welt“ berufen zu können, und er nimmt auch diesmal seinen Verleumdern gegenüber kein Blatt vor den Mund und scheut sich nicht, ihr Verhalten als „gehässig und niederträchtig“, sie selbst aber als die „verachtungswürdigsten Feinde Sr. Hochfürstl. Durchlaucht selbsteigenen wahren Interesse und redlich dafür gesinnter Leute“ zu bezeichnen.

Und wirklich, das „unverwerfliche Zeugnis der gut und gründlich denkenden Welt“, es sollte noch einmal obsiegen über alle böswilligen Einflüsterungen, den Gegnern Führer‘s aber durch dessen Beförderung zum Major vor ihrem endgültigen Triumph erst noch eine herbe Enttäuschung zuteil werden.

Inwieweit Führer dann gleichwohl bald nachher ein Opfer feindlicher Intrigue, ein Büßer eigenen Verschuldens geworden ist, lässt sich zwar, bei der Lückenhaftigkeit des uns vorliegenden Quellenmaterials keineswegs mit Bestimmtheit sagen. Allein, wie die Beförderung zum Major nach kaum vierjähriger Kapitänszeit als sicherer Beweis dafür angesehen werden darf, dass er, wie einst beim Kavallerieregiment Prinz Maximilian, so auch bei den Jägern „in den vorgefallenen Kampagnen und Militäroccasionen als ein rechtschaffener Offizier sich erwiesen“ habe, und zwar umsomehr, als Dank den von den Gegnern ausgestreuten Verleumdungen jene Beförderung nicht ohne peinlich genaue vorherige Informierung über die „Konduite“ des zu Befördernden erfolgt sein dürfte, so bieten die an ihm gerühmten Charaktereigenschaften und noch manches andere eine sichere Gewähr dafür, dass auch seine endgültige Verabschiedung in Rinteln nicht in Unehren erfolgt sein kann. Oder hätte er auch andernfalls, um nur eins herauszugreifen, vier seiner Söhne wiederum Offizier werden lassen, und gar im Jahre 1770 in Göttingen vor einer Versammlung von Offizieren eine „militärische Aufmunterungs-rede“ halten können?


IX. Friedenszeit in Felsberg

Zum zweiten Mal war der „Vielverschlagene“ von den sturm-bewegten Wogen des Soldatenlebens als Schiffbrüchiger ans Land geworfen. Diesmal, wie anzunehmen ist, ohne Pension zu den Seinen zurückgekehrt, befand er sich schon ohnehin in einer noch schwierigeren Lage, als nach jenem ersten Schiffbruch, weil die Zahl seiner Kinder sich inzwischen noch vermehrt hatte und deren Unterhalt naturgemäß immer schwieriger wurde.

Umsomehr könnte es uns befremden, schon wenige Jahre später den ältesten Sohn Christoph Friedrich Wilhelm sich gleichfalls dem Offiziersberuf widmen zu sehen. Allein wir dürfen dabei einmal nicht vergessen, dass die Offizierslaufbahn in damaliger Zeit schon an sich auch dem weniger Bemittelten wohl leichter zugänglich war als heute, und dass vermutlich auch damals schon Offizierssöhne gewisse Vergünstigungen genossen.

Außerdem wissen wir, dass der verabschiedete Major damals noch ein nicht unansehnliches Besitztum am Obertor in Felsberg sein eigen nannte. Freilich, wie wir bald sehen werden, nicht mehr auf lange Zeit. Daneben aber scheint ihm in diesen Jahren der unfreiwilligen Muße auch die sonst gewiss höher von ihm bewertete Wissenschaft bisweilen eine „milchende Kuh“ gewesen zu sein, wenn auch nur von einem der „vielen schriftlichen Aufsätze, deren einige gedruckt, andere aber des Druckes wert gewesen wären“, das Erscheinen in dieser Zeit bestimmt bezeugt ist. Das Thema lautete: „Abbildung der Kriegskunst in Beziehung auf den Offizier, vorgestellt in einer militärischen Aufmunte-rungsrede von einem Verehrer der Kunst“.

Als der Verfasser das Manuskript dieser Rede im Herbst 1770 gelegentlich eines mehrtägigen Aufenthalts in Göttingen im Versammlungslokal der „Königlichen Gesellschaft“ daselbst in Gegenwart von Gelehrten und Offizieren vorlas, bestimmte den Professor v. Colom der allgemeine Beifall, den sie fand, sie im Druck erscheinen zu lassen .

Ein wahres Unglücksjahr war für die Familie des Majors das Jahr 1773, wie wir aus der „Casseler Polizey- und Commerzien-zeitung“ ersehen. Dort begegnen wir zunächst der folgenden auf ihn bezüglichen Bekanntmachung:

„Kraft von Hochfürstl. Kriegs- und Domänenkammer an mich Endesunterschriebenen ergangenen Befehls soll das dem Major Führer und dessen Eheconsortin zu Felsberg zustehendes, in der Stadt Felsberg an der Strasse zunächst dem Oberthor gelegene Wohnhaus und Hofreyde mit allen dazu gehörigen Gebäuden, desgl. der daran gränzende Gemüse-, Gras- und Baumgarten mit den darin befindlichen Teichen, öffentlich und an den Meistbietenden verkauft werden, und ist zur Versteigerung dieser Grundstücke Termin auf den 2. September schierskünftig bestimmt; wer nun zu deren Ankauf Lust hat, der kann sich in eben berührtem Termino Vormittags 9 Uhr in der Renterey zu Felsberg einfinden, sein Gebot thun und nach Befinden Zuschlag gewärtigen.
Homberg, den 8. Juni 1773.

Kleyensteuber vigore, commissionis.”

Dieser, einen schweren materiellen Verlust betreffenden Publikation, der wir wohl weiter nichts hinzuzufügen brauchen, sollte nicht lange nachher die nachstehende, ebenfalls schon für sich allein sprechende folgen, die ein die Familie vermutlich noch empfindlicher treffendes Ereignis zur Voraussetzung hatte .

„Nachdem die Erben, des im Hochlöbl. Regiment verst. Lieutenants Führers Nachlassenschaft cum bene ficio legis et inventarii anzutreten, sich erkläret, so werden alle und jede creditores, die an gedachter Erbschaft einige Ansprüche ex quo cumque capite zu haben vermeinen, hiermit peremptorie citieret, um in dem den 15. Dezember a. c. anberaumten Termino in Person oder durch genugsame Bevollmächtigte zu erscheinen, ihre Forderung gehörig zu liquidiren und des Weiteren zu gewärtigen.“

Homberg, den 22. Sept. 1773.

Fürstl. hess. Commandirtes Kriegsgericht
des hochlöbl. v. Donop'schen Regiments.
Glücklicher Weise sollte das von den trüben Wolken dieser beiden Ereignisse überschattete Jahr nicht zu Ende gehen, ohne dass noch ein Lichtstrahl hineingefallen wäre, der wohl geeignet war, die schwer heimgesuchte Familie wenigstens über den erlittenen materiellen Verlust einigermaßen zu trösten. Im Jahre 1773 erhielt nämlich der verabschiedete Major eine Zivil-anstellung und zwar als Hessen-Kasselscher „Wege- und Brückeningenieur“ , ohne dass uns von irgend welcher Vor-bildung für diesen technischen Beruf etwas bekannt wäre. Im Jahre 1774 wurde er daneben auch noch zum commissarius loci (Stadtkommissar) über die Städte Gudensberg, Felsberg, Borken und Niedenstein ernannt, legte aber im darauffolgenden sein Amt als Wege- und Brückeningenieur nieder, während er die ihm übertragenen Funktionen eines commissarius loci, d. h. die staatliche Aufsicht über die gesamte Polizei- und Finanz-verwaltung der genannten Städte, bis zu seinem 1781 erfolgten Tode ausübte .

Bedeutungsvoll für die Führer’sche Familie war auch das Jahr 1776. Im Jahre zuvor hatten sich bekanntlich die englischen Kolonien an der Ostküste von Nordamerika gegen das Mutterland erhoben. England aber sah sich bei seinem mangelhaften Wehrsystem genötigt, zur Niederwerfung des Aufstandes aber-mals fremde Krieger anzuwerben. Natürlich appellierte es in erster Linie wieder an die altbewährte hessische Waffenbruder-schaft, die auch im Jahre 1776 durch einen Subsidienvertrag erneuert wurde, der 13.000 Hessen zur Verwendung jenseits des Ozeans an England überließ.

Nun standen zur Zeit von den Söhnen des Majors nicht weniger als drei in hessischen Militärdiensten, zwei davon aber im Regiment v. Knyphausen, einem der für Amerika bestimmten Truppenteile . An beiden hatte kurz vor dem Abmarsch ihres Regiments der alte Vater noch die Freude ihrer Beförderung erlebt, und zwar des älteren, Karl August , zum Sekonde-leutnant, des jüngeren, Karl Friedrich Viktor , zum Fähnrich. Doch selbst im Herzen des gegen Kriegsschrecken sonst wohl gefeiten alten Soldaten mag der Soldat vor dem Vater zurückgetreten sein, als ihm beide im März 1776, kaum drei Jahre nachdem ihm der älteste Sohn durch einen so frühen Tod entrissen, die Hand zum Abschied reichten, um jene von den Gefahren des Meeres wie des Krieges in gleicher Weise bedrohte Heerfahrt in die „neue Welt“ anzutreten, von der eine Wiederkehr recht fraglich erschien.

Und es sollte in der Tat ein Abschied auf Nimmerwiedersehn sein, wenn auch nicht ganz in dem angedeuteten Sinne. Denn Karl Friedrich Viktor kam nicht wieder, und als Karl August nach sieben Jahren als Kapitän ins Elternhaus zurückkehrte, da fand er dort den Vater nicht mehr vor .

Über die letzten Lebensjahre von Friedrich Wilhelm Führer wissen wir nur soviel, dass er, wie schon, erwähnt, bis zuletzt das Amt eines commissarius loci über die Städte Felsberg, Gudens-berg, Borken und Niedenstein bekleidete. Hinzuzufügen ist noch, dass er auch jetzt noch, trotz dieser seine Kraft gewiss schon stark genug in Anspruch nehmenden Tätigkeit, Zeit für literarische Betätigung zu erübrigen wusste. Im Jahre 1777 beteiligte er sich an der Bewerbung um den von der Gesellschaft für Agricultur zu Cassel festgesetzten Preis für die Lösung des Themas: „Solution du problème proposé par la société de l'agriculture de Cassel pour l’an 1776, ayant pour objet les moyens de, retablir la valeur des immeubles maisons, jardins, et terres cultivables, tombés, dessous de la moitié de leur juste prix”.

Führer bearbeitete dieses Thema in der Form eines Dialogs zwischen Staats- und einem Landsmanne. Der Preis wurde freilich nicht ihm, sondern dem Professor Schlettwein in Gießen, das Accessit dem Professor Wagner in Idstein zu erkannt. Beider Arbeiten wurden deshalb von der Gesellschaft gedruckt, während die, wie es heißt, sechs Blätter füllende Führer'sche „privatim zum Druck befördert wurde”.

Am 24. September 1781 fand das bewegte, wechselvolle Leben Friedrich Wilhelm Führers seinen natürlichen Abschluss. „Sein Verstand und treues Gedächtnis“, so heißt es u. a. in der von dem Felsberger Metropolitan Elard Biskamp an seinem Grabe gehaltenen Trauerrede - „versah ihn mit einer Menge nutzbarer Kenntnisse, nicht nur in historischen und philosophischen, sondern auch in politischen, statistischen, ökonomischen, Finanz- und Kameralwissenschaften war er ungemein erfahren. Hiervon zeugen auch viele schriftliche Aufsätze, deren einige gedruckt sind, andere aber des Druckes wert wären.

Ihm fehlte es gewiss nicht an Fähigkeiten und Geschicklichkeiten, wodurch er bei seinem Leben sich der klugen und gelehrten Welt als ein Mann von großen Einsichten hätte bekannt machen und dadurch berühmt werden können. Sein Temperament aber war zu gleichgültig gegen den Ruhm in der großen Welt. Er begnügte sich, in der kleineren Welt, worin ihn seine Bedienung und seine übrigen Bekanntschaften eingeschlossen, den Ruhm eines uneigennützigen, ehrlichen und dienstfertigen Mannes zu behaupten. Aber auch im gläubigen Vertrauen auf den göttlichen Erlöser, den er in jüngeren Jahren nicht genugsam gekannt und geehrt nun aber schon lange hatte kennen und verehren gelernt, starb er .

Friedrich Wilhelm Führer hinterließ seine Witwe, vier Söhne und zwei Töchter.
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Die zahlreiche Nachkommenschaft von Friedrich Wilhelm Führer und seinen 8 Kindern kann der vom Sippenverband Fü(h)rer e. V. herausgegebenen "Nachkommentafel des Baumeisters Johann Michael Führer, † 1720 in Minden" (4. Aufl. Kassel 1999) entnommen werden. Friedrich Wilhelm Führer ist das einzige der drei namentlich bekannten Kinder des Baumeisters Joh. Michael Führer dessen Nachkommen bekannt und weitestgehend in der o.a. Nachkommentafel erfaßt sind.